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Es ist schon schöner, wenn DVDs mit der Post kommen, als wenn man sie aus dem Laden mit nach Hause nimmt. Die erregte Vorfreude auf dem Weg zum Briefkasten - möglicherweise hält man gleich das gute Stück in Händen - können einem WOM et al. einfach nicht bieten. Da macht es auch nichts, wenn der Postmann wieder das schmale Zeitfenster abgepasst hat, um - statt das Päckchen bei einem Nachbarn zu hinterlassen - einen Benachrichtigungszettel einzuwerfen, der sich dann zumal zwischen Werbeprospekten versteckt. Aber den Widrigkeiten trotzend hat sich die erste Staffel von "The West Wing" zu mir durchgekämpft. Und ich habe es ihr mit zärtlicher Aufmerksamkeit gelohnt. Ich hatte ja keine Ahnung. Folgende Voraussetzungen: Ich hatte mich nicht informiert, der an verschiedenen Stellen immer wieder aufgeschnappte Hinweis, eine Serie sei gut, reicht mir im Allgemeinen. Näheres erfährt man dann ja beim Sehen. Folglich dachte ich, es handele sich um eine Comedy-Serie. Pro Folge vielleich 22 Minuten und 30 Sekunden. Tempo, Tempo, Tempo. Gepfefferte Dialoge voller Witz und Schlagfertigkeit. Sexuelle Anspielungen, ohne zu explizit zu sein - wird schließlich nicht von HBO produziert und ausgestrahlt. Eigentlich dachte ich wohl, es handele sich um "Spin City", bloß im Weißen Haus, wahrscheinlich hat mir außerdem der Name Sheen (Charlie: Spin City, Martin: The West Wing) diese Vorstellung ins Unterbewusstsein diktiert. Dann der Autor: Aaron Sorkin hat "A Few Good Men" geschrieben und "The American President". Beides Filme, die möglicherweise schwächer sind als ihr Buch, sind sie doch vollkommen unpersönlich inszeniert und markieren die Etablierung von Rob Reiner als - nicht uneleganter - Mainstream-Konfektionär. Auf jeden Fall Filme, die wie PR-Maßnahmen wirken. Sie erlauben keinen unbeobachteten, unvorbereiteten Blick unter die Oberfläche. Sie sind wie kompetent geleitete Führungen. Auch die Abweichung folgt einem kalkulierten Zweck. Vielleicht verstehe ich daran aber auch nur die besondere Ironie nicht. Sei's drum. "The West Wing" ist von anderem Kaliber. Die erste Folge geht sofort in medias res. Jede einzelne Hauptfigur wird uns vorgestellt, besser: gezeigt, und zwar genau dort, wo wir sie in der Serie häufig sehen werden: an der Schnittstelle von Beruf und Privatleben. (Falls das noch nicht klar war: es dreht sich um den demokratischen Präsidenten der Vereinigten Staaten und seinen Inner Circle: Stabchef, Pressechefin, Redenschreiber usw.) Und fast allen wird erstmal die Hose runtergelassen. Jeder muss in einem raren Moment auch qualitativ eingeschränkter Privatheit professionell reagieren. Jedem gelingt es auf seine Weise, aber wir haben sofort - noch bevor er überhaupt entfaltet wird - den Kern des Problems dieses Lebens erfahren, ganz ohne Sentimentalität, einfach so. Das könnte man - und muss es sonst meistens - ablegen unter: Schwäche zeigen, um Menschlichkeit zu erzeugen. Aber hier funktioniert es anders. Die Schwäche ist der Ausgangspunkt, sie ist nicht der Schönheitsfleck, der wohlkalkulierte Makel, die vorweggenommene Parade des Vorwurfs, unrealistische Supermenschen zu zeigen. Im Gegenteil: Die Schwäche macht die Figuren erst komplett. Natürlich reden wir hier von Schwäche auf ganz hohem Niveau und natürlich reden wir hier auf gar keinen Fall von Realismus. "The West Wing" erlaubt es sich einfach, nicht allzu offensichtlich mit den Eigenschaften seiner Figuren zu argumentieren. Die Serie fordert sogar eine gewisse Kenntnis politischer Vorgänge vom Zuschauer. Und setzt Politik nicht allein als Metapher für private Dispositionen ein, sondern behandelt sie auch als Gegenstand. Sie erliegt auch nicht der Versuchung, Politik als hassenswerten Sumpf darzustellen, auf den man alle seine Ängste und Vorurteile projizieren kann. Die Autoren geben sich tatsächlich alle Mühe, der Komplexität ihres Gegenstandes gerecht zu werden. Dass dabei gewisse Vereinfachungen anfallen, z.B. dass die meisten Mikroerzählungen auf irgendeiner Ebene ein Happy End haben: geschenkt. Vielleicht kann man auch monieren, dass die Protagonisten alle zu gut sind, zu geistreich, zu eloquent. Dass ein derart liberaler Präsident nie gewählt worden wäre. Scheiss drauf. Wie gesagt, hier geht es nicht um Realismus.
Aber finde ich die Serie wegen der beschriebenen Vorzüge gut? Natürlich nicht. Sondern weil sie exzellente Schauspieler hat (seit wann ist denn bitte schön Rob Lowe gut?), exquisite Dialoge, halsbrecherisches Tempo und weil sie verdammt noch mal auf der richtigen Seite steht und daraus auch keinen Hehl macht. Man stelle sich mal Schröder vor, der Frank-Walter Steinmeier vom wohlverdienten Schlaf abhält, indem er ihm Vorträge über die wichtigsten deutschen Naturschutzgebiete hält. Jetzt so hingeschrieben liest sich das eigentlich ganz lustig.

bunny


Vor drei Tagen muss auf der anderen Seite des Atlantiks in ausgewählten Theatern der DONNIE DARKO DIRECTOR'S CUT angelaufen sein.
Zwanzig Minuten neues Material, und Richard Kelly hat das Gefühl, seinen Film erst jetzt (nach dem bereits die DVD Ergänzungen zur in Deutschland ja nie im Kino gezeigten ersten Fassung enthielt) fertig gemacht zu haben. Und ich glaube ihm. Denn dem Vernehmen nach ist dieser Film, der für mich (besser spät denn nie) eines der ganz großen Seherlebnisse dieses Jahres war, tatsächlich NOCH schöner geworden.
Ich bin sehr sehr gespannt und bete, dass der Film nun endlich dahin kommt, wohin er gehört: Ins Kino.

Natürlich werde ich mir Fahrenheit 9/11 ansehen. Obwohl ich nicht mehr weiß, ob ich Michael Moore mag. Bei "The Big One" mochte ich ihn noch ganz, dann ist in unserer Beziehung eine ganze Zeit lang garnichts und dann "Bowling for Columbine" passiert. Ich finde es GUT, wenn Dokus polemisch sind, das macht einfach mehr Spaß. Es ist schön, wenn man ungetrübt wütend gegen die falsche Sache sein kann. Moore wurde, ich weiß nicht mehr wo, vorgeworfen, er "schlage ein totes Pferd" (to beat a dead horse) (im „Schnitt“?). Gemeint ist, dass er einen wütenden Film gegen eine Sache macht, bei der ihm ohnehin JEDER zustimme - Gesinnungsfilmerei, risikolose. Im Falle des Columbine-Films stimmt das eigentlich nur in Europa, in Amerika mag es anders sein, da gibt es doch recht viele Menschen, die abslout nicht seiner Meinung sind. Oder ist es so, dass er ohnehin nur innerhalb einer geschlossenen Zielgruppe wahrgenommen wird, und den redneck-Farmer nicht provoziert und in quälende Gedanken stürzt, weil der den Quatsch ja eh nicht wahrnimmt? Interessant wäre dann zu wissen, ob wirklich nur die Leute, die ohnehin seiner Meinung sind, auch in seine Filme gehen, oder ob er in den USA ein Stadium der Berühmtheit erreicht hat, das auch andere neugierig macht, sich das mal anzusehen. In einem Artikel in der aktuellen Zeit wird berichtet, dass die Kinos, in denen 9/11 und die, in denen der Christusfilm von Mel Gibson gezeigt wurden, nie dieselben waren - bis auf ein einziges Haus in New York. Ansonsten schön nach Landstrichen getrennt. Im Süden und in der Mitte Mel, an den Küsten Michael. (Fehlt nur ein -icha- in der Mitte.) Nach Columbine fand ich den Mann nach wie vor gut, aber fand auch, dass seine Polemik teilweise abglitt, dass Effekt und Selbstverliebtheit und Wahrheiten an der Grenze der Fälschung überhand nahmen. Im selben Artikel in der Zeit wird aber auch berichtet, dass Moore in 9/11 Bilder zeigt, die uns ganz gegenwärtig sind (Tote Kinder, tote Soldaten im Irak, und dergleichen), die aber im Amerika der Kabelnetworks bisher UNGESEHEN sind, die die Menschen in einem Land, in dem heimkehrende tote Soldaten per Erlass aus den Medien verbannt sind, einfach nicht kennen, obwohl sie den mächtigsten Mann der Welt mit dem dicksten Daumen am dicksten Abzug wählen müssen. Und hier, finde ich, hört ästhetisches Räsonieren auf - wenn es Moore gelingt, das Kino zu einem Fenster der unabhängigen Meinung in einem in seiner Fläche medial annähernd gleichgeschalteten Land zu machen, dann will ich nicht rumnörgeln, nein, da heiligt der Zweck auch teilweise fragwürdige Mittel.

Ist das dann Propaganda? Ja, meinetwegen, lass es das sein, es kommt ja immer darauf an, wofür. Stand-Up Propaganda.

Wenn 9/11 den Amerikanern etwas über ihr Land in der Welt, in der sie leben erzählt, dann erzählt es uns etwas über das Amerika, mit dem wir zusammenleben.

Ich erwarte einen der politischsten Filme seit langem, mit all seinen Grobschlächtigkeiten, und freue mich, dass das Kino im Land seiner WAHREN Geburt die gesellschaftliche Wichtigkeit zurückerhält, die es bei uns schon lange nicht mehr hat. Menschen gehen ins Kino, um etwas Unerhörtes über ihr eigenes Leben zu erfahren, um INFORMATIONEN zu kriegen. Dass das gerade aus den USA kommt, ist schon verrückt. Aber tüchtig gelacht wird sicher auch.

Während gerade der Regen niederprasselt, sich das Büro verdunkelt hat, die Stimmung eigentlich ganz gemütlich ist und das, was an Arbeit anfällt, zwischen zwei zusammengepresste Fingerkuppen passt, muss ich an Melville denken. Nicht wegen irgend eines besonderen Zusammenhangs, sondern nur, weil es hier ein bisschen nach Rauch riecht. Ich habe mir vor Kurzem von einem Freund das Versprechen abnehmen lassen, schnellstmöglich Le cercle rouge anzusehen. Und meine Meinung zu der Ästhetik abzugeben. Werd ich tun. Wahrscheinlich heute. Und da musste ich an Le samourai denken. Hab' ich im Kino gesehen (Berlinale, Delon-Retro, Cinema Paris, ich musste auf dem Boden im Gang sitzen und mir ist eine Wasserflasche umgefallen und hat meinem Vordermann das Gesäß befeuchtet und das, wo Alain Delon da war und einen Blumenstrauß bekommen hat und ... Opa erzählt die besten Geschichten. In seligem Gedenken an Sondermann und Bernd Pfarr), im Fernsehen, auf Video, also dreimal. Und konnte ich mich an den Anfang erinnern? Nein. Selbiger Freund sagte vor einiger Zeit vom Bier aufblickend: Und dann dieser Anfang von Le samourai. Ich sagte, ja stimmt! Und dachte: War ja ein toller Film, wird also wohl auch einen tollen Anfang haben. Du weißt, was ich meine, fragte der Freund. Wusste ich natürlich dann nicht. Also angucken. Der Freund (er)zählte mit: So, da, Rauch (Geruch s.o.), der Käfig, Vogelzwitschern und jetzt, da! Und ich sah Schockierendes. Erschütternd. Musste mir erst der Kumpel die Tomaten von den Augen reißen. Wo schaue ich denn hin, wenn so ein Film anfängt? Seht's Euch selber an. Beschreibung nützt nix. Klingt dann harmlos. Ich hab's versucht, aber wieder gelöscht. Diese erste Einstellung ist wirklich modern (soweit ich beurteilen kann). Auf Le cercle rouge freue ich mich jetzt beim Schreiben immer mehr. Und abseits jeder Definition wird man dem Tod bei der Arbeit zuschauen können.

Nicht, dass "Shrek 2" etwa ein schlechter Film wäre - dazu gibt es zu viel zu sehen, zu staunen, zu lachen. Aber er ist einfach keine richtige Erzählung mehr. Die Anzahl der Filmanspielungen hat sich deutlich erhöht, die Zahl der Songs, die angespielt und zu denen Actionsequenzen choreografiert werden, hat sich - so mein Eindruck - vervielfacht. Es ist fast ein großer Videoclip geworden. Das ist ja nichts Schlimmes. Aber es führt zu einem Problem. Die Balance des Films ist im Eimer. Gleich zu Beginn wird man auf Tempo und Tonfall konditioniert. Ein Trommelfeuer an Gags und Zitaten zu Musik sorgt gleich für Stimmung, dann wird schnell die Ausgangssituation etabliert, die Reise beginnt, die Helden kommen an und dann: Vollbremsung. Eine halbe Ewigkeit quält sich "Shrek 2" daran ab uns die Familienkonstellation zu erklären, wiederholt sich dabei ständig, verliert seinen Witz und man merkt wie sehr sich der Film bisher von Bewegung und Rasanz abhängig gemacht hat, womit ich natürlich nichts gegen Bewegung und Rasanz gesagt haben will. Aber ohne Balance gerät halt alles ins Trudeln. Kurz ich wollte schon anfangen, enttäuscht zu sein, wollte dem langweiligen König kaum mehr folgen, wenn er verkleidet in eine zwielichtige Spelunke schleicht, um einen Killer für Shrek anzuheuern (das ist doch hier gerade hoffentlich kein Spoiler, war schließlich auch im Trailer), als mich zwei feurige Augen anblicken und wieder hineinreißen. Der erste Auftritt des neuen Helden - noch inkognito - aber schon bezwingend: Der gestiefelte Kater. Ich muss es gestehen, bei jedem weiteren Auftritt habe ich innerlich gejubelt und äußerlich wahrscheinlich dümmlich gekichert. Jede Szene ohne ihn kam mir wie ein Vakuum vor, aber davon gab's zum Glück nicht mehr viele. Jedenfalls war jetzt wieder Pfeffer drin. Ich kann gar nicht mehr richtig unterscheiden, ob der Film tatsächlich besser geworden ist, aber er hat wieder Spass gemacht. Glänzend synchronisiert von Benno Fürmann brilliert der Neue mit spanischem Akzent als Latin Lover, Rächer, edler Freund und Helfer, armes, kleines Kätzchen und heißblütiger Tänzer.
Unbedingt positiv an "Shrek 2" ist außerdem der Umgang mit Schönheit. Im ersten Teil noch - gleichwohl lobenswert - als Schlusspointe eingesetzt, ist die Prinzessin Fiona diesmal die längste Zeit über eine reizende Ogre-Braut. Das Versprechen, dass die wahre Schönheit die innere ist, die vor allem nicht notwendig mit der äußeren zusammen auftritt, wird hier vollständig eingelöst. Ich muss es einfach noch mal hinschreiben: Der gestiefelte Kater ist hinreißend. Kaum auszudenken, dass Antonio Banderas als Puss in Boots noch besser ist.

heatvision

"If fate makes you a motorcycle, you become a motorcycle."
So muss Fernsehen aussehen, wenn's nach dem begnadeten Ben geht.
1999: Ben Stiller entwickelt eine TV-Serie, "Heat Vision and Jack", mit Jack Black als Astronaut und Owen Wilson als sprechendes Motorrad. Ein kruder 50er Sci-Fi - Knightrider-Mix. Es bleibt beim Piloten, der es niemals ins Fernsehen, geschweige denn in die Serienproduktion schafft. Man ahnt, warum. Also: Auch hierzulande nie gesehen. Sehr witzig, lässt zum Ende etwas nach, auf jeden Fall was für Jungs.

Runterzuladen bei: http://waxy.org/bt/, man muss vorher den auf derselben Seite verlinkten "bit torrent"-client runterladen. Der beißt nicht.

(via: Drew http://www.script-o-rama.com/blog/blog.html)

Oh natürlich, ein Amerikaner in Paris, ein Schriftsteller im Buchladen "Shakespeare and Company", DEM Treffpunkt der amerikanischen Intellektuellen in Europa, zum ersten Mal, in seiner ersten Inkarnation, für Hemingway, Pound und Konsorten, später, in der Form, wie er auch im Film zu sehen ist, der Treffpunkt der Beatgeneration, und nun also ein gealterter Slacker auf deren Spuren. In Europa auf der Suche nach dem besseren Leben. Das er hier schon einmal in Händen hielt - für eine Nacht. Habe ich gesagt gealtert? Am Anfang des Filmes sieht man Bilder von Jesse und Celine aus dem ersten Teil. Wir treffen sie wieder, erinnern uns, doch wie jung die waren... Sie treffen sich wieder, und das Wiedersehen ist zauberhaft unspektakulär und glaubwürdig inszeniert, so wie alles in diesem Spaziergang von einem Film so glaubwürdig ist: Die Direktheit, mit der die beiden das Gespräch aufnehmen, es führen, sich darin verspinnen wie in den Pariser Straßen, hie und da zeigen, wo's langgeht, um den Weg dann wieder zu verlieren. Die verspielte Offenheit, mit der sie sich erst ihr Leben erzählen, die dann zur direkten, verzweifelten Offenheit wird, wenn sie es sich nochmal erzählen. Wenn sie über das verlorene Leben nachdenken, das sie teilen, das sie nur kurz für eine reale Optiion hielten, dann für ein Traumgespinst, und das nun in all seiner Fülle und Unerreichbarkeit vor ihnen steht. Und dabei die ganze Strecke über einen leichten Ton halten, immer auf dem Sprung zur rettenden Neckerei, die, meistens vom anderen nicht gleich begriffen, nicht um ihrer Pointe, sondern um einer grundsätzlichen, zärtlichen Unernstheit willen dargebracht wird. Wunderbar, wunderbar spielen Delpy und Hawke, ich hatte tatsächlich einen Großteil des Films über andächtig meine Hände gefaltet. Vor diesen Menschen. Vor diesem Leben. Und davor, wieviel Linklater über seine, also unsere Generation, also über mich weiß. Und das in einem Film, nicht länger als ein Popsong, wie Jesse am Anfang über seinen nächsten Roman sagt, und doch ein ganzes Erwachsenenleben lang. Wie er ausgeht? Nein, hier kein Spoiler, aber ich habe es glaube ich nur selten erlebt, dass ein ganzes Kinopublikum so direkt mit einem Aufseufzen auf eine Filmende reagiert hätte. Ein wunderbares Ende, vor allem für diejenigen im Saal, die Optimisten sind.

Fangen wir mit dem Original an. Das hab' ich als Kind ganz oft gesehen, denn es gehörte zu den Filmen, die mit grundsätzlicher Familienaufmerksamkeit geadelt wurden. Es war ein Alec-Guiness-Film, so wie es Cary-Grant-Filme, Charlie-Chaplin-Filme, Alfred-Hitchcock-Filme und Heinz-Rühmann-Filme gab. Diese Namen sollten für Qualität bürgen. (Zwar habe ich bis heute etliche Filme mit Alec Guinness gesehen, aber keiner war mehr ein Alec-Guinness-Film, denn in keinem sah Alec Guinness so aus wie dort.) Ich fand "Ladykillers" immer schrecklich komisch, fühlte mich dazu allerdings auch verpflichtet, schließlich war ich gerade dabei, herauszufinden, was außer Slapstick im Fernsehen (in Gänze witzig) und dem örtlichen Kinoangebot von Spencer/Hill (klingt ohne Vornamen merkwürdig) bis Louis de Funés noch lustig sein könnte. Das war also schwarzer, bzw. englischer Humor. Leute sterben zu meinem Vergnügen - fand ich gut.
Vor wenigen Jahren habe ich den Film aufgenommen, kurz reingeschaut, ob's geklappt hat, archiviert, wegsortiert. Vielleicht ein Jahr später drüber gesprochen und im Kopf immer einen Schwarz-weiß-Film gehabt. Ich war dann doch richtig schockiert, dass der Film in Farbe war. Bestimmt acht mal gesehen und doch falsch erinnert. Liegt es an den tatsächlich blassen Farben, liegt es daran, dass mein historisches Gedächtnis farblos ist?
Und jetzt kommt das Remake und die Fotos, Trailer und das Plakat versprechen einen Farbenrausch. Angerichtet von den Coens. Und meine Erwartungen explodieren. Wenn der Film tatsächlich so farbig ist, wie ich ihn mir erhoffe, dann ergibt die Farbmischung mit dem Schwarz-Weiß meiner Erinnerung vielleicht eine ideale Farbe. Und wenn der Film so lustig ist, wie "Intolerable Cruelty", dann entstaubt er vielleicht das Original, über das ich beim letzten mal Sehen mehr geschmunzelt als gelacht habe. Tom Hanks als Alec Guinness (es gab nie einen Tom-Hanks-Film) wird als groteske Figur jeden Anschein von Wahrscheinlichkeit verlieren. Er wird mit Klischees überhäuft werden, und ich werde es genießen. Ich werde Bilder so grell und heiß sehen, dass sie zerschmelzen (Südstaaten!). Ich werde lachen, weil der schwarze, britische Humor mit seiner gelegentlich
etwas selbstgenügsamen Provokation keine wirkliche Rolle mehr spielt. Vielmehr wird es auf den Modus ankommen. Auf die Gesichter, mit denen halbgare Platitüden ausgespuckt werden, auf die ungemütliche oder gar zu entspannte Körperhaltung. Schließlich kann immer noch ein Pups mit rausrutschen. Es wird ein Fest. Hoffentlich.

Tschechow sagt: „Wenn in der ersten Szene ein Gewehr an der Wand hängt,muss spätestens in der letzten Szene damit geschossen werden“.
ich sage: wer in der ersten halben Stunde im Film mehrmals leicht hustet, stirbt demnächst an Tuberkolose. In Filmen ohne Tuberkolose wird nicht gehustet. Erweiterung dieser These: Wer, wie Uma Thurman in Kill Bill oder Brendan Fraser in "Der stille Amerikaner" damit kokettiert, dass er die Sprache des Landes, in dem er sich befindet, nicht beherrscht, und lachend die drei Worte hersagt, die er aufgeschnappt hat, spricht diese Sprache in Wirklichkeit fließend.
Das wird zu überprüfen sein.

Gestern am späten abend, nach MONK, blieb ich beim OFFENEN KANAL KIEL hängen (was echt nicht oft, nein: so gut wie nie vorkommt.) Ich sah sofort: das kenn ich. Was da in echt verblichenen Bildern (geht das so schnell?) zu sehen war, war ein Teil meiner Vergangenheit, ein Konzert der Band OIL ON CANVAS vom 26.4.1993 im MAX in Kiel. Wie wenig man Musik vergisst, die man mal gut gefunden hat, das Gefühl, jede Wendung, jedes Wechsel vorherzuwissen, ganz zuhause zu sein in Songs, die seit 10 Jahren nicht mher im Ohr waren! Musik, die ich heute nicht mehr gut finden würde, aber noch verstehen kann, warum ich sie damals gut fand. Natürlich wollte ich mich im Publikum finden, natürlich wurde die ganze Zeit nur diese Band gezeigt.
Wie habe ich damals eigentlich ausgesehen - und mit wem war ich wohl da? Alles unklar, aber die Songs, die hat man noch voll drauf...

"Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa!" hört man die freundliche Bardame schreien, während sie vom Weihnachtsmann gefickt wird, besser: während sie den Weihnachtsmann fickt. Im Auto. Auf dem Vordersitz. Sie reitet ihn. Und er darf die Mütze nicht abnehmen. Bei der Zigarette danach erklärt sie ihm, dass sie ungeheuer auf den Weihnachtsmann steht, vielleicht, weil er ihr als Kind immer vorenthalten wurde. "It's like some deep-seated childhood thing." Und der Weihnachtsmann antwortet: "So is my thing for tits". Moralisch oder sozial allgemein nicht akzeptiertes Verhalten fällt - vom Weihnachtsmann ausgeübt - besonders auf. Wenn in "Die Glücksritter/Trading Places" Dan Aykroyd im Weihnachtsmannkostüm bei einem üppigen Büffet schnorren geht und schließlich völlig betrunken zusammen mit einer Lachshälfte seinen Bart verspeist oder der zusammengeschlagene Tim Robbins in "Jacob's Ladder" vom Weihnachtsmann ausgeraubt wird, dann sind das seltsame, verstörende Bilder. Der Inbegriff des Guten, Gutmütigen tritt unsere Werte mit Füßen. Wenn das Kostüm Maske ist und wir den Träger nicht kennen, ist es nur unheimlich. Wenn der Kostüm- auch Sympathieträger ist, wird's komplexer. Dann reicht unsere Gefühlspalette von Befremden über Belustigung bis Mitleid. Und diese Palette reizt Terry Zwigoff unterstützt von einem famosen Billy Bob Thornton in "Bad Santa" aus. Wir erleben den heruntergekommensten Weihnachtsmann, den zumindest ich bisher im Film gesehen habe. Die Schimpfwortfrequenz ist unglaublich, jeder Satz allein enthält ein Wort, das in den USA ganze Filme für Kinder und Jugendliche vermeintlich untauglich macht. Darin steckt ein nicht unbeträchtlicher Witz, schließlich hört man nicht oft einen Weihnachtsmann zu einem strahlenden Kind sagen: "What the fuck do you want?" Dieser (Kaufhaus-)Weihnachtsmann hat mit der Welt, der Warenwelt, der Welt der Familien, der Welt der Liebe und damit auch - nicht zuletzt - der Welt der Lüge abgeschlossen. Für ihn gibt's nur noch sich, Alkohol und Sex. Mit Alkohol und Sex lässt sich vielleicht noch leben, seine eigene Gesellschaft ist allerdings eine Qual. Wie schon in "Ghost World" und natürlich in dem großartigen Dokumentarfilm "Crumb" nährt sich Terry Zwigoff einer Außenseiterfigur an. Dabei bleibt er vollkommen auf ihrer Seite, vermeidet jede Wertung - positiv wie negativ - sondern schaut einfach nur aus ihren Augen auf die Welt. Und die ist grässlich genug. Im Mainstream muss immer das Hindernis beseitigt werden, das den Außenseiter von der Teilnahme an der Gesellschaft abhält. Dabei wird meistens ein windelweicher Kompromiss propagiert. Die Gesellschaft muss erkennen, dass der Außenseiter doch ein netter Kerl ist, der vor allem Fähigkeiten hat, die ihn zu einem potentiell vollwertigen Mitglied machen und der Außenseiter muss seine Schüchternheit/Verschrobenheit/Brille ablegen, um dabei sein zu dürfen. Je nach Machart hübsch anzusehen und eine schillernde Seifenblase, bestenfalls rührend, aber so gut wie immer verlogen. Nicht so bei Zwigoff. Hier wird an der Hölle, die die Gesellschaft, insbesondere in ihrem untauglichen Bestreben, "korrekt" zu sein, häufig darstellt nix beschönigt. Wer unflätig redet - Ordnung muss sein - darf den Kindern nicht zu nahe kommen. Wer nicht wegerklärt werden kann, ist ein Ärgernis. "Bad Santa" bietet nun ein ganzes Arsenal an Figuren auf, die in Übereinstimmung von Aussehen und Wesen aus der Normalität fallen. Ein ständig betrunkener tätowierter Weinachtsmann, ein dickes glänzendes Kind, besessen vom Weihnachtsmann-Kosmos (als das Kind Santa den falschen Bart runterzieht und Santa als Erklärung anbietet, er habe aufgrund einer Krankheit Haarausfall - "I loved a woman that wasn't clean" fragt das Kind: " Mrs. Santa?"), eine sexuell auf Weihnachtsmänner fixierte Barfrau, ein schwarzer Zwerg und seine asiatische egoistisch-blutrünstige Gefährtin. Daraus zimmert auch zwanghafte Political Correctness keine funktionierende Gesellschaft. Nein, nivellierende Integration kann nicht die Lösung sein, wenn sie nur ein Ziel hat: Das Individuum aufzufressen und mehr oder weniger gut verdaut auszuscheiden.
Vor allem aber ist der Film unfassbar komisch. Ich habe gelegentlich Tränen gelacht.
Auf DVD RC1 (z.B. bei eBay), ab November im Kino (eine Synchronisation scheint mir ein fast aussichtslose Unterfangen)

Takeshi Kitano ist der japanische Woody Allen. Gewagt, zugegeben, und beruht auch nur auf zwei Dingen: erstens denke ich bei jedem neuen Film: "Lass ihn selbst mitspielen, bitte, bitte, bitte." Und wenn's nicht so ist,denke ich: "Ach, es ist bestimmt trotzdem super." Und zweitens: In Allen-Filmen glauben wir ganz selbstverständlich, dass von diesen kleinen, immer klapperiger werdenden Herren eine enorme erotische Ausstrahlung ausgeht, die die Frauen, und wenn es Julia Roberts ist, betört. Und Kitano macht glaubhaft, dass er ein kleiner, bulliger, unbesiegbarer Mann ist, der jeden, der ihm dumm kommt, sofort zumindest ein Essstäbchen (neurechtschreib) ins Auge haut. Und auch in Zatoichi ist er wieder die typische Kitano-Figur, vielleicht in dieser popmythischen Superheldenfigur typischer then ever. Dem kann keiner.
Ein Film, der einem verschärft das Gefühl gibt, viel zu wenig über die japanische Filmkultur zu wissen, aus der sich doch der US-Genrefilm so deftig bedient, und die letztlich doch so hermetisch ist.
Was ist mit dem "Samurai mit dem Holzschwert"? Er taucht im Film in einer großartigen Szene auf, wird als eigenständiger Charakter etabliert, um dann wieder zu verschwinden und nur ganz am Ende als eines der hierarchischen Hindernisse auf dem Weg zum Chef der Verbrecherbande beseitigt zu werden, recht nebenbei. Ist er eine traditionelle, allseits bekannte Figur? Aus B-Filmen? Aus den Zatoichi-Filmen selbst? Aus dem Kabuki-Theater? Gibt es in Japan bei seinem Auftritt Szenenapplaus? Aus der Story ist diese Figur kaum erklärber, und Drehbuchfehler sollen Kitano nicht unterstellt werden... Mit der Figur des Sölnders, der sich nur scheinbar zum Wohle seiner kranken Frau an den Bandenchef verkauft, sieht es ähnlich aus, wenn seine Figur auch tiefer ausgeführt ist, und auch der "Neffe" scheint ein mir nicht bekanntes Vorleben außerhalb dieses Films zu haben. Vielleicht sollte ich mir wirklich mal die beiden Zatoichi-Filme von Freund Bomke leihen, um da irgendwie weiter zu kommen. Kurusawa allein reicht hier nicht aus...

Nachdenken muss nicht immer hinderlich sein, bevor man etwas hinschreibt. Natürlich hat 24 (ich beziehe mich da auf die 2. Staffel, daran erinnere ich mich nämlich noch) nicht 23, sondern 24 Cliffhanger. Da rechnet man schlau 24 - 1 und dann ist es Quatsch.

Das Schöne daran, ein Filmfan zu sein, ist, dass dieser Seinszustand Momente wahrer und ungetrübter Freude bereit hält. Und dieses war einer. Der Moment, als ich mitbekam, dass Richard Linklater eine Fortsetzung von "Before Sunrise" gedreht hat. Denn die Vorfreude, die sich in mir breitmachte, wurde von keinem Zweifel getrübt, denn wir reden hier ja nicht von Terminator III. Nein, ganz klar, Linklater wird es gut, wird es richtig gemacht haben. Ethan Hawke und Julie Delpy würden so reizend sein wie vorher, nur älter. Wie auch ich älter bin. Sie würden sich wiedertreffen, und wieder nichts wissen und alles erhoffen, und sie würden sich Fragen stellen, was inzwischen war, und sie würden echte Menschen sein, die Dinge getan und gedacht haben, die viele andere und auch ich zwischen 1995 und 2004 getan und gedacht haben. Sie würden weiter die Gesichter meiner planerisch etwas losen und im Leben so unklar wie emphatischen Generation sein, und wer weiß, wer weiß, vielleicht wird aus ihnen ja was, aber ich glaube eigentlich nicht, dass Linklater seine beiden Täubchen so festlegen wird auf den Straßen von Paris.

Bin gerade eben darauf aufmerksam gemacht worden, dass kürzlich mit 24 doch eine weitere große Serie erfolgreich in Deutschland gelaufen ist. Das stimmt. Vielleicht liegt diese Gedächtnislücke an dem Umstand, dass ich 24 eher als langen Film mit jeweils 23 Cliffhangern angesehen habe. Die Ausstrahlungsweise der ersten Staffel (3x2 Folgen pro Woche) kam diesem Eindruck damals sehr entgegen. (Out 1 ist schließlich auch ein großer Film, und auch den hab' ich nicht in einem oder zwei Stücken gesehen, sondern mir ca. 1 Kapitel pro Tag angeguckt.) Außerdem lief 24 auf RTL 2, einem Sender, dessen Existenz ich gelegentlich zu verdrängen pflege. Design und Inhalt bilden dort oft eine unheilige Allianz, vielleicht hat auch das auf 24 abgefärbt, dessen zweite Staffel dessen ungeachtet hervorragend war. Ein Beispiel dafür, dass mehr auch mehr sein kann. Ich meine kürzlich gelesen zu haben, dass das auch das Credo von Joel Silver ist (war?). Aus dem Kopf wüsste ich jetzt keine Joel-Silver-Produktion aus den letzten fünf Jahren.
Serien, die ich zur Zeit live - heißt in der Fernsehausstrahlung - gucke: Monk, Six Feet Under, Ed, Gilmore Girls (widerwillig unregelmäßig, aber täglich 16 Uhr ist einfach zu hart.)

 

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