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So viel bekanntes, ich habe eigentlich zuerst auf die Kleinigkeiten geachtet, sie freundlich getätschelt und weiter den Blick wandern lassen: die Küste Neuenglands, Strandspaziergang, natürlich fahren da alle Volvo, nur Kim Basinger fährt ein altes Mercedes Cabrio, die freundlichen Falten von Jeff Bridges, der Strand wieder, die Standparty. Die ausklingende, stille Standparty – ein immer wiederkehrender Sehnsuchtsort, zuletzt gesehen in „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“, oder man denke an „Stardust Memories“, an all diese leicht melancholischen Ostküstenfilme eben, die ich so liebe, weil ich mich erkannt fühle. Diese Kleinigkeiten sind es, aus dem der Film seine Stimmung spinnt, und das ist sein großes, großes Plus. Jeff Bridges ist natürlich immer ein Plus, und Kim Basinger hier auch. Die Betrachtung dieser Menschen in ihrer Welt ist beinahe schon ausreichend, um die Geschichte, die ja vor allem in der Vergangenheit liegt, zu erzählen, Motive, die im Roman so wichtig sind, erscheinen hier beinah wie aus Pflichtgefühl noch miterzählt – die Szene etwa, in der die vierjährige Ruthie ihre Mutter mit dem Assistenten Eddie im Bett erwischt und ihre Mutter ruft: „Wir sind’s doch nur, Mom und Eddie“, und Eddie erschreckt aufspringt und seine Erektion mit einem Lampenschirm bedeckt, der natürlich nichts verbirgt. Im Buch eine mehrmals wiedererzählte Szene, im Film einmal abgebildet und irgendwie nicht so wichtig – wahrscheinlich, weil der Film weit weniger Interesse für das Innenleben des Kindes aufbringt. Und das vermutlich, weil ja die weitere Geschichte der Ruth nicht stattfindet, also auch nicht motiviert werden braucht. Der Film blickt daher natürlicherweise konzentrierter auf die Erwachsenen. Gut so, finde ich, nur das nun eben die kindlichen Motive („Etwa das im Roman so beunruhigende „Wo sind die Füße?“) nun etwas verloren dastehen. Detailkritik, das. Wie schon bei „The Cider House Rules“ ist die Beschneidung der Handlungsstränge eines Romans in der Verfilmung eine wirklich gute Entscheidung, die den Film durch Kontemplation mehr zu seinem Recht kommen lässt. Nur, ach, die Musik. Arg viel, sehr oft, und für mein Ohr allzu deutlich von Delarues betörendem Hauptthema aus Godards „Le Mépris“ (der Film, den ich bei schnellen Fragen nach meinem Lieblingsfilm immer als solchen nenne, daher bin ich da empfindlich) abgekupfert, das ja durch „Casino“ unlängst wieder in allen Ohren war. Die Stille bei einsetzendem Abspann daher: sehr schön, hätte nicht eine Knallcharge im Saal in diese plötzliche Ruhe „Wasn jetzt los??“ reingekläfft.

Als ich damals (in einem kleinen Verzehrkino an der Ostsee) "Terminator 3" gesehen hatte, war meine Prognose ganz klar: Das Ende ist nicht nur ein fragwürdiger plot twist, nein, es ist auch ein ganz absichtlicher Bruch mit der bisherigen Erzählung. Wir erinnern uns: Im Widerspruch zum zweiten Teil, der ja gerade darin gipfelt, dass die Apokalypse NICHT stattfindet (denn mit dem Terminator wird ja die Wurzel des Übels aus der Welt geschafft und so ein gut durchdachtes Zeitreise-Paradoxon gut aufgelöst), pfeift Teil drei auf die in den vorhergehenden Filmen aufgebote Logik und lässt unter recht fadenscheinigen Begründungen den Atomschlag am Ende DOCH passieren. Atomschlag als Befreiungsschlag: Denn natürlich wollten es sich die Produzenten Kassar und Vajna nicht nehmen lassen, weiter Honig aus dem Stoff zu saugen, nur: T3 war, gerade im Vergleich zum zweiten Teil, ein müdes Sequel. Mostow und Konsorten ignorierten die Entwicklung des zweiten Teils, um genau dort, wo dieser beginnt, noch einmal ansetzen zu können. Ein Pärchen flieht, beschützt von einem Terminator, gejagt von einem anderen, technologisch überlegenen. Ein schlechtes Sequel: Der Stoff wird nicht weiterentwickelt, sondern kopiert. Nochmal geht das so nicht, das war wohl allen klar, und so schaute man sich nach einem anderen Stoff innerhalb der Terminator-Erzählwelt um (neben der nun dreimal variierten „Muttererzählung“) , den man für die nächsten Sequels verwenden könnte. Und, natürlich, da ist der Kampf der Menschen gegen die Maschinen auf den vom Atomkrieg verwüsteten Schlachtfeldern der Zukunft (2029). Super, nehmen wir den doch! Nur: Folgt man dem zweiten Teil, so tritt diese Zukunft ja nicht ein, sie ist erfolgreich verhindert worden. Nur folgerichtig, in T3 den zweiten Teil nocheinmal nachzuinszenieren, und der Geschichte diesmal das im Sinne der Weiterverwertung des Stoffes richtige Ende zu verpassen: Der Atomkrieg findet statt, der Partisanenkampf, den John Connor ficht, also auch. Ach ja, meine Prognose damals: Die Erzählung geht nun weiter, indem eben jener Kampf beschrieben wird, ein Action-SciFi-Kriegsgeschichte. Nur, dass ich angenommen hatte, man würde daraus eine Fernsehserie machen, der Stoff böte sich dazu an. Nein, nun wird laut „coming soon“ in 2005 der vierte Teil produziert, und er wird laut „yahoo! Movies“ (Was ist das für eine Quelle? Da hab ich es halt gefunden.) genau diesen Plot haben: „The 80-page treatment that currently exists for this movie takes place farther in the future as humanity is waging their war against the robots.“ 80 Pages? Wohl wenig Dialoge...
Die charmante Idee Camerons, einen mythischen, endzeitlichen Krieg zeichenhaft in die Gegenwart des Seher zu verlegen und so seine Kommentare über eben diese Gegenwart abzugeben ist damit natürlich erledigt. Das mythische Moment des Endkampfes, der nun zum ganz handfesten Partisanenkampf wird, ist verflogen. Aus der zyklisch-mythischen Welt der Originale ist eine einfach gestrickte lineare geworden. Wohl wahr, ich nörgele an einem Film rum, den es noch nicht gibt, dessen Regisseur noch nicht feststeht, das ist alles gar nicht haltbar, doch es wird so kommen – mit dem neuen Ende ist ja auch das stolze „No Fate“ des zweiten Teils obsolet, das Schicksal vollzieht sich unbeeindruckt, der vierte Teil wird produziert, Mostow macht wieder Regie, und auch er wird wieder ein Übergangsfilm, hin zum fünften, der als der ganz große Showdown angekündigt wird, und Mostow wird es nicht schaffen (sonst hätte er es schon vorher gemacht) diesen Film auch nur ansatzweise auf das Niveau zu hebeln, das Cameron erreichte. Das ist das Schicksal, das schon der „Weiße Hai“ durchlitt, und das so langsam auch „Alien“ bevorsteht.

Alles Gerüchte, kaum geeignet, in einem Aufsatz über den "Terminator" aufzutauchen, erscheinend in einem 1a Buch über das Werk von James Cameron, geadelt durch die Beiträge zahlreicher von mir hochgeschätzter Autoren, das demnächst erscheinen wird und auf das ich dann hier natürlich angemessen hinweisen werde. Bloß: Dazu muss dieser Artikel erstmal fertig werden, ich bin etwas...äh...spät dran. T2 ist gerade on heavy rotation, ich geh dann mal wieder ans Werk.

http://movies.yahoo.com/shop?d=hp&cf=prev&id=1808406215&intl=us

Den Anfang von diesem "LiveMovie" (schön, dass du das - doofe - Wort entgegen dem Trend zusammen schreibst, ZDF. Aber dann machst du das "M" in der Mitte groß - verrissen.) noch gesehen, und hm, das bezog doch die Spannung nach den Ankündigen, die vorangingen, vor allem aus der Bewunderung für die logistische Leistung bzw. aus dem Warten auf die Panne. Material-Dramaturgie, wenn man so möchte.
Es ist wie bei Jurassic Park: EIne aufseherregende formale Idee macht einfach keinen guten Film.
Ansonsten: Fieser Look und Schauspieler, die in der Livesituation (ist ja eher wie Theater) auch nicht viel anders waren als sonst.

Was mir noch auffiel: Wie häufig Van Morrison in deutschen Fernsehfilmen irgendwelche gefühligen Szenen untermalt. Ich hätte gern mal ne Liste. Das fleißt so schön, das grundiert so nett. Ob der das weiß? "Yeah, I'm the man for uninspired germanTV-Shows, and I really appreciate it!"

Heute, 20.40 auf ARTE: "Virgin Suicides". Konkurriert mit dem Livefernsehfilm im ZDF, aber: ein Lob der modernen Technik!

virginsuicides

Der Film ist mir damals vor allem wegen seiner mysteriösen, sinnlichen, fließenden Stimmung in Erinnerung geblieben, bekannt war mir eigentlich nur der Nachname der Regisseurin. Doch mit der Zeit entlarvte er sich als Film, der früh vieles zusammenführte, was später wichtig sein sollte: die tolle Sofia Coppola, Jeffrey Eugenides ("Middlesex"), der die literarische Vorlage hat springen lassen, Kirsten Dunst in einer schon damals verhangenen Rolle (Ihre Augenlider! Ich mag das.) Und zu guter letzt: die wunderbare Musik von Air. Hat mir damals alles noch nix gesagt. Heute ist das natürlich ganz anders (nur Eugenides hab ich noch nicht gelesen), und das ist nun wirklich ein Grund, dem Streifen nochmal die Ehre zu geben und zu sehen, was er mir jetzt zu sagen hat.

Der Christoph Amend findet in der ZEIT das Fernsehen doof. OK, prinzipiell ist das ein Punkt, gegen den man nicht viel sagen kann. Allerdings das in aller Breite in der ZEIT zu tun, ja, das verlangt wirklich Mut. „To beat a dead horse“, sagt man drüben. Natürlich war früher alles besser, er sagt selbst, das sei einfach gesagt, sagt es aber doch. Führt „EWG“, die Lieblingsshow meiner Großmutter als Beispiel für politische Unterhaltung an. Und, zu recht, natürlich die Dietlschen Serien („Monaco Franze“, „Kir Royal“), Troller, Menge. Und zählt noch mal auf, was in jüngster Zeit alles gut war, aber entweder beim Zuschauer floppte, etwa die „Sopranos“ (böser Zuschauer!), oder vom Sender abgesägt wurde. Alles was klappt, also gut ist und läuft, hält er als Beispiel hoch, was möglich wäre, so etwa Olli Dittrich. Der wurde beim ZDF mit „Olli, Tiere, Sensationen“ zu den Akten gelegt. (Böses ZDF). „Dittsche“, aber auch „Blind Date“ (böses ZDF?) werden aber wie das andere funktionierende und gute Fernsehen nicht anerkannt: „ 3sat, Phönix und Arte sind Entschuldigungsfernsehen. Dominik Graf macht Entschuldigungsfernsehen. Sogar Sex and the City oder Ally McBeal war immer Entschuldigungsfernsehen. Eine Ausrede dafür, dass wir nicht sehen müssen, wie eklatant sich das Fernsehen seinem Auftrag verweigert.“ Harald Schmidt natürlich auch. Und in fröhlicher Bescheidwisserei schreibt er hin: "Wo ist der Film, der, ja, auch Aids, Terror und sozialen Abstieg behandelt? Wo sind die Sendungen, die die Schönheit und die Wirrnis unserer Tage feiern?" Da kann man doch nur ausrufen: Schau mal hin! Schau sie dir an, Filme wie „Die Polizistin“, die „Polizeiruf“-Krimis, ach und noch so einiges. Ich verteidige hier unser Fernsehen, so weit isses gekommen. Ich finde natürlich auch, dass 97% zum Himmel stinken. Es ist schlimm, doch ganz so schlimm isses nicht. Natürlich lässt sich jedes gelungene Stück Fernsehen zur Entschuldigung der Sender für den anderen Dreck uminterpretieren. Nur – wohin führt das. Und kann man das mit dem besten aus den 60er, 70er und 80er Jahren nicht auch tun? Wenn heute mehr Menschen ihr eigenes Programm mit DVD und Internet machen, liegt das daran, dass es GEHT, nicht daran, dass das Fernsehen so miserabel ist. Heute gibt es die Kulturzeit, und auch an Scobel kann man rumnörgeln, aber als Teil der Dorfjugend der achtziger Jahre hätte ich mich über derartigen Input mehr als gefreut.
Im Gegenteil: Es gibt viel Mist, und ich sage, es muss viel Mist geben, je mehr, desto besser. Orson Welles hat mal gesagt, man könne in Europa keine guten Filme drehen, weil es keine guten Kranschwenker gäbe. Und meinte: Es gibt keine Industrie, es gibt keine Leute, die vom Kräneschwenken, und nur davon leben können, und sich daher in dieser Disziplin zum Meister entwickeln können. Und diese Meister des Details, nicht nur die Fassbinders braucht es. Damit es sie gibt, braucht es Industrie, es braucht jede Menge Filme, Shows, Serien, die runtergerissen werden, damit auch hie und da was gutes rauspurzelt, von Leuten, die sich ihr Geld mit anderen Jobs in der Industrie verdienen, die dann aber auch ihr eigenes, gutes machen könne. John Sayles, Steven Soderbergh und viele andere können ein Lied davon singen. Produzenten müssen sich Filme von Woody Allen leisten können. Der deutsche Film der Zwanziger wäre mit seinen künstlerischen Leistungen ohne die irre Menge von Trash und Banalem, die zeitgleich produziert und heute vergessen ist, nicht denkbar. Der Weg, nach den großen Autoren zu rufen, wie Amend es tut (er hat auch sehr genaue Vorstellungen: „Wo ist also die neue Serie, in der Oskar Roehler von den Krisen seiner Altersgenossen erzählt?“) ist nicht der Weg zu einer Fernsehlandschaft, wie er sie in den USA wittert. Die müssen da selbst durch. Und genug schaffen es auch. Und je mehr insgesamt produziert wird, desto mehr werden es sein. Und es werden sich dann auch, so Gott will, HBO-mäßige Vertriebskanäle finden, auf denen das geht. Na gut, das kann noch ein paar Jährchen dauern. Aber ich habe noch Hoffnung.

2004_head_in_the_clouds_030

das Pitching der Autoren beim Produzenten gleich mit – so etwa bei „Head in the clouds“: „Also die ganze Story ist so „Doktor Schiwago“ meets „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, dass muss man sich vorstellen, die unbeschwerte Zeit in der Pariser Bohème, zwei schöne Frauen, ein begabter Junge, der tastend die Welt, die Liebe, das Leben entdeckt, die ganze Dekadenz damals, das gibt fantastische Sexszenen, so à la Bertolucci, die Thereon und Cruz, das zieht Ihnen die Schuhe aus. Na, und dann der Krieg, Schicksalsfäden zerreißen, Wege trennen sich, großer Schmerz, Verrat, Wiedersehen, ein bisschen „Englischer Patient“, also ne todsichere Sache... “

Frau Engelke hat gewonnen. Doch doch.

1.
Schon ihre Berufung hat sie in der deutschen Fernseh-Beißfolge eine Etage höher gerückt. Und da oben bleibt sie jetzt erstmal.

2.
Sie erzielt mit der Show immer wieder ein Medienecho, das so wohl kaum eine andere deutsche Fernsehsendung in allen Medien, von Bild bis FAZ, auf sich zieht. Mediendeutschland nahm Teil an der Hybris der Engelke. Und schaute immer mal wieder nach. Zwei Wochen ohne Engelke-Beschau, und jeder Feuilleton-Redakteur fing an, unruhig auf der Pinot-Kiste hin- und herzurutschen.

3.
Sie ist nicht beschädigt - im Gegenteil. Das Versagen der Sendung wurde den Autoren und Konzeptern bei Brainpool zugeschoben, die Vorzüge Anke Engelkes hingegen wieder und wieder ventiliert. Was sie eigentlich alles könnte, wenn man sie nur ließe.
Sie wurde abgesetzt, aber mit Lorbeeren garniert. Über wohl keinen Fernsehversager vor ihr hörte man solche Hymnen auf sein eigentliches Können - Koschwitz war damals erledigt, da gab es (zu recht) kein "eigentlich". Die Mesnchen legen öffentlich ihre Stirn in Falten und Überlegen sich, wie denn das richtige Format für sie aussehen könnte - soviel Hilfskomplex war nie.
Schön zu diesem Thema: Roger Willemnsen überlegt sich in der "Kulturzeit", wie das rechte Format für Anke Engelke beschaffen sein müsste, und auch gleich das für ihn selbst. (http://www.3sat.de/kulturzeit/) Und lobt sie natürlich über den grünen Klee.

4.
Wegen dieses "eigentlich" hätte eine längere Laufzeit der Sache Engelke nur geschadet - es hätte verloren gehen, vergessen werden können. Sie musste aufhören, solange die Leute noch "Grimmepreis!!!" riefen, wenn sie auftaucht. Wegen dieses immer wiederholten "eigentlich" werden ihre weiteren Auftritte von Publikum und Kritikerschar um so freundlicher beäugt werden, nun muss sich ja beweisen, was man immer behauptet hat. Na super, jetzt darf sie endlich wieder parodieren, na köstlich, das kann sie doch, ham wa doch schon immer gesagt!

5.
Es war ein Dolchstoß. Schon wird die Sache zur Causa Schawinski, der immer behauptet hatte, er habe einen langen Atem, um dann nach 10 von 1000 Metern abzubrechen. Frau Engelke als Opfer der selben Kamarilla, die schon Harald Schmidt aus dem Sender getrieben haben. Ihr Versagen wird zum symptomatischen Teil prinzipiellen nicht-gelingen-könnens in der auf den Hund gekommenen Struktur dieses Senders. Es kann keine wahre Anke im Valschen geben.

Gong!

Wir gratulieren.

Ich werde "Der Untergang" im Kino nicht mehr sehen, obwohl ich inzwischen schon sehr, SEHR viel darüber gelesen habe.
In "The door in the floor" gehe ich sofort, obzwar ich bisher nur eine Radiokritik gehört und die Liste der Darsteller gelesen habe. Das reicht: Appetit.
Was will uns das sagen?

Die Lektüre macht mir den "Untergang" nicht schmackhafter, und jedesmal, wenn ich ins Kino gehe, fällt mir was besseres ein, was meine Zeit wert ist. Ich finde, ich kann es mir leisten, Kino nicht zur Pflichtveranstaltung werden zu lassen, um an irgendwelchen Diskursen teilnehmen zu können. Und folgen kann ich denen in diesem Fall auch so - es sollen ja schon ganze Filmkritiken ohne Sichtung der Primärquelle entstanden sein, so munkelt man.
Ich halte dann an einem lauschigen Winterabend vorm Fernseher ein Streichholz an den Leichnam.

...so rumort es auf der Filmnews-Seite von BBC.
Von Trier unterbricht seine "Amerika-Trilogie". Zur Zeit schneidet er die Dogville-Fortsetzung "Manderlay", aber Anfang 2006 soll er mit den Drehatbeiten zu "Antichrist" beginnen. Basisidee: Die Welt wurde nicht von Gott, sondern von Satan erschaffen. Hört sich gut an, zumal von Trier ja einige Erfahrung mit der Darstellung des Teufels hat - meist in Gestalt von Udo Kier. Hört sich so an, als gäbe es nach dem harten Brot von "Dogville" und dem intellektuellen Vergnügen mal wieder einen Trierfilm, in dem sein absurder, ja, teuflischer Humor wieder an die Oberfläche ploppt. Das wäre schön.
Denn, wenn ich mir überlege, welches Trier-Werk ich mir spontan heute abend nochmal reinpfeiefn würde, dann doch auf jeden Fall "Kingdom".
Das es da nach dem Tod von Ernst-Hugo Järegard nicht mehr zur dritten Staffel gekommen ist, obwohl ich mich schon SOSOSO darauf gefreut hatte, das ist wirklich noch eine der offenen und schmerzenden Wunden in meiner Filmbiografie.
Hoffen wir also das beste.

http://www.bbc.co.uk/films/2004/10/20/high_noon_oct_20_2004_news_article.shtml

trchvert


"Widmen Sie den Toten all ihre Gedanken, alles, was Sie tun, Ihre ganze Liebe, und Sie werden sehen, dass sie uns gehören, wenn wir bereit sind, ihnen zu gehören." (Julien in "Das grüne Zimmer")


Heute, ganz zufällig, "Das grüne Zimmer" von Truffaut im Fernsehen gesehen, auf Arte. Natürlich nicht ohne Anlass: Vor zwanzig Jahren starb Truffaut. Und mich erinnert: Ach ja, das gibt es ja auch noch. Dieses große, fremde Kino der Jahre, in denen wir Kind waren, das schon neben uns existierte, das wir (ich zumindest) erst kennenlernten, als es schon lange vergangen war. Mein erster bewusster Truffaut? Ich glaube, "Der Mann, der die Frauen liebte", irgendwann mit 16 oder 17 im Fernsehen, mein liebster immer noch "Die amerikanische Nacht". Oder doch "Geraubte Küsse"? Egal.
Und nun, also ganz unvermittelt, "Das grüne Zimmer". Und eben dieses Gefühl der Fremdheit, oder genauer: Sowas wird heute nicht mehr gebaut. Ein schmaler Film, so gar nicht auf irgendeinen Effekt gezielt, so ganz unwillig, aufzufallen. Auffallen - nicht im Sinne von "in der Menge verschwinden", sondern: Nicht protzen, nicht brillieren. Ein einfacher Kostümfilm mit einem verqueren Thema: Wie gehe ich mit der verschwundenen Vergangenheit um? Mit den Menschen, die mich verlassen haben, obwohl ich sie liebte, die gingen, die starben, obwohl ich sie nie hätte gehen lassen? Truffaut spielt die Hauptrolle, Julien, kantig, sparsam, intensiv, schwarzäugig. Es sind die Zwanziger, er hat im Krieg viele, zu viele Freunde verloren, und nun, nachdem er sich in den Frieden gerettet hat, auch noch seine geliebte Frau. Das wirft ihn um, er lebt nun nur noch, um herauszufinden, wie er mit dem Verlust der Toten umgehen kann, beginnt, sich Rituale zu erspinnen,die nicht greifen, bis er am Ende eine alte Kapelle mietet, um sie zu einem Tempel für "seine" Toten zu machen, gefüllt mit Bildern von Toten, die für ihn auch immer Geschichten bedeuten. Zentral, über dem Altar (das Kreuz hat er entfernt) Bilder seiner Frau. Um mehr geht es eigentlich nicht, nur der Tod, der sich aus dem Leben nicht vertreiben lässt, und der Versuch ihn, wenn er zu stark wird, zu zivilisieren.
Truffaut ist in "Das grüne Zimmer" Journalist, er verfasst, fixiert wie er ist, ausschließlich Nachrufe. Dann hört er damit auf, beschäftigt sich nur noch mit seiner Obsession. Was liegt näher, als hier eine Analogie auf den Weg des Filmjournalisten Truffaut hin zum Filmemacher Truffaut zu suchen? Einem Mann, der seiner Obsession einen Tempel, voll mit Bildern, voll mit Geschichten, gebaut hat? EInem Mann, der versucht, mit seiner Obsession umzugehen, Wege sucht, sie in seinem Leben zu beherbergen? Julien stirbt am Ende an der Ausschließlichkeit seine Leidenschaft für die Bilder aus dem Jenseits. Hm.
Und jetzt eben fange ich an, nachzudenken, warum ich hier schreibe.
Es ist einfach, sich von Dingen zu trennen, sich loszusagen, die man in seinem Leben für schädlich erkannt hat. Auch davon handelt der Film. Schwer ist es, die Dinge fahren zu lassen, die man liebt. Und doch: Das passiert.
Denn die Leidenschaft welkt, wenn man sie nicht lebt, dieses ganze zusammengeglotzte und gelesene Wissen schwindet, die Lust, sich auszutauschen. Über die ganzen Dinge, die ja ständig nachgeschüttet werden, begeistern, befremden, wegsortiert werden, verblassen, welken, wenn man sie nicht poliert.Was tun? Man muss einen Tempel bauen, ein Ritual erspinnen, in dem sich dies alles Ausdruck verschaffen kann, über den Konsum, über das Sammeln hinaus. Dem Entglittenen, dem sich ständig ins Vergessen entziehenden alle Gedanken widmen. Das fordert Julien, und soweit wolln wa ja nu nich gehen. Aber: Man soll ihm die Gedanken widmen, die es verdient, und wir werden so viel von ihm behalten, wie wir verdienen. In einem Ritus, der das Schreiben ist, in dem die Gedanken sich bilden, gedeihen. Kerzen entzünden, die, wenn man sie betrachtet, voller Leben sind, jede eine Geschichte, die einen zu vergessen hindert. In einem Tempel, der aus so etwas profanem wie einer Internetadresse und etwas Hypertext besteht. Und der so mit hunderten und aberhunderten von Bildern, Gedanken, Meinungen ausgeschmückt ist. Deswegen schreibe ich hier, meinem eigenen unzuverlässigen Hirn die Stirn bietend.
Kluger Truffaut.

 

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