...in diesem altmodischem Ding...wie heißt es noch---steht im Wohnzimmer...sag schnell...
bähr - am Donnerstag, 30. Dezember 2004, 20:48 - Rubrik: Der Tod bei der Arbeit
Eine entsetzliche Katastrophe wie die, die sich am Indischen Ozean ereignet hat, hinterlässt ihre Spuren auch in den Medien. Sie reagieren auf das schwer fassbare mit dem bewährten Reflex der Sondersendung. Ich arbeitete gestern in den drei Wänden, die renoviert werden wollen, und hörte NDR 2. Den ganzen Tag lief ein „NDR Extra“ über die Katastrophe, das, mangels eigentlichem Geschehen, zu einem traurigen body count mit Rock und Pop wurde. Das einzige, was sich bewegte, waren die ins immer unglaublichere steigenden Opferzahlen. Die Sondersendung hat stets etwas Merkwürdiges an sich. Sie verbreitet die Aura höchster Dringlichkeit, und doch passiert außer ihrer eigenen Aktivität meist nicht viel, denn meist ist schon alles vorbei. Was passiert eigentlich in der Musikredaktion eines modernen Radiosenders im Katastrophenfall? Drückt der diensthabende Praktikant am Musikprogramm-Computer auf den Knopf „Desaster-Mix“? „Das Besinnlichste aus den 70ern, den 80ern und von heute.“? Oder wird ein 75jähriger ex-Musikredakteur mit Blaulicht aus seinem verdienten Ruhestand zurückgeholt („Volker, wir brauchen dich wieder!“), weil nur noch er weiß, wie man eine Musikauswahl für ein Programm macht? Klassiker der wenig auftragenden Betroffenheit wie „What if God was one of us?" von Joan Osborne werden in Reihe über den Sender geschickt, die einerseits die letzten Themen verhandeln, andererseits eingängig genug sind, die Wegschaltrate niedrig zu halten. Immerhin bringt die Katastrophe ein Radio zurück, wie ich es auf NDR außerhalb der Bundesliga schon lange nicht mehr gehört habe – mit ausführlichen Wortbeiträgen zwischen den Musikstücken. Ein öffentlich-rechtliches Radio, das endlich mal zeigt, was es eigentlich von den privaten Dudelnudeln unterscheidet: Korrespondenten und professionelle Nachrichtenredaktionen. Hätte man da nicht einen Tag lang ganz auf die peinlich dem Anlass angepasste und weiterhin flache, profillose Musikberieselung verzichten können? In dem er sich nicht völlig mit einem harten Schnitt in etwas ernstzunehmendes zurückverwandelt, sondern mit schlechtem Gewissen weiter seine Musik dudelt scheitert NDR 2, der mal was besseres war, an der Größe und der Tragik des Ereignisses.
bähr - am Mittwoch, 29. Dezember 2004, 08:06 - Rubrik: things i never told you
"Star Wars", "Der Herr der Ringe", "Harry Potter" - doch letztlich nur immer wieder Beweise dafür, dass die Germanen aus ihrem ganzen rumpeligen Wesen mit der Weihnachtsgeschichte und dem Rest der Evangelien nicht zurecht kommen.
Ein Halbgott, der unerkannt auf Erden ankommt, das mag ja noch angehen. Aber dass der am Ende nicht seine Maske abwirft, um es mit seiner Kraft und Herrlichkeit allen zu zeigen, sondern sich sang- und klanglos abmurksen lässt. Der trotzig seine Macht für sich behält, um Glauben zu säen. Nein. Das muss dringend neu erzählt werden. Mit einem Ende, das einen nicht so bescheuert alleine lässt. Einem, wo alle "Ooooooh" rufen, der Verkannte sich zu erkennen gibt, herrlich triumphiert, und bitte gleich und nicht an einem unklaren Datum irgendwann in der Zukunft.
Ein Halbgott, der unerkannt auf Erden ankommt, das mag ja noch angehen. Aber dass der am Ende nicht seine Maske abwirft, um es mit seiner Kraft und Herrlichkeit allen zu zeigen, sondern sich sang- und klanglos abmurksen lässt. Der trotzig seine Macht für sich behält, um Glauben zu säen. Nein. Das muss dringend neu erzählt werden. Mit einem Ende, das einen nicht so bescheuert alleine lässt. Einem, wo alle "Ooooooh" rufen, der Verkannte sich zu erkennen gibt, herrlich triumphiert, und bitte gleich und nicht an einem unklaren Datum irgendwann in der Zukunft.
bähr - am Samstag, 25. Dezember 2004, 00:17 - Rubrik: mythen des alltags
Wurde gesehen, ganz OK gefunden und dann wieder aus dem Hirn genommen. Jetzt beim Rückbesinnen: Ick finds jut. Die Sache mit den Haaren irgendwie kryptisch (und der ARD bestimmt ein Dorn im Auge - die Herren haben ihn ja erst am Montag wiedergesehen). Das Geplaudere nett, eigentlich wie sonst. Die eingespielten Witze irgendwie malade (Castro: Das tat mir echt weh. Der arme Mann).
Eigentlich egal, was der Schmidt so macht, ich finde es gut, wenn der Mann im Fernseher rumsitzt und Geld verschwendet, von dem sonst ja eh nur Volksmusiker bezahlt werden.
Eigentlich egal, was der Schmidt so macht, ich finde es gut, wenn der Mann im Fernseher rumsitzt und Geld verschwendet, von dem sonst ja eh nur Volksmusiker bezahlt werden.
bähr - am Freitag, 24. Dezember 2004, 02:01 - Rubrik: vorher - nachher
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Nebenbei: Mal vom Gemeckere abgesehen, hat Soderbergh mit "Ocean's 12" was Tolles geschafft. Was auch "Sky Captain" geschafft hat. Nämlich einen Film, der in einem großen Cinemaxx-Saal eigentlich garnichts verloren hat, genau dorthin zu bringen. Der eine macht eine kleine, spielerische Variation über ein Genre, das auch nicht mehr das neueste ist. Ohne irre Effekte. Ohne große Spannung - im Gegenteil, eher zerstreut und alles, was Spannung sein könnte, immer rechtzeitig in ein kleines rosa Wölkchen auflösend. Und mitendrin ein leicht trotteliger Willis, den das anwesende Publikum in Filmen, die widerum alles sind, was dieser nicht istm gouteren. Das hat schon was. Läuft natürlich über die Stars. Mit "Sky Captain" ist es ähnlich: Auch das ist ein Film, der eigentlich vor allem für Flmfreunde was ist. Die etwas kennen von dem Kino aus der Zeit, von der er erzählt. Die "Wizard of Oz" erkennen, wenn sie ihn sehen. Die wissen, wo der Baumstamm über dem Abgrund herkommt. Der Film ist wie Helge Schneider oder die Simpsons: Für jeden was dabei. Und wäre nicht auch für die breite entertain me fraktion was dabei, hätte es auch für uns nix gegeben. Trotzdem: Wie Conran diesen Film in die großen Kinos getrickst hat (bzw. das Budget aufgetrieben hat, um seine kleine Stilkunde durchzuziehen), das hat schon seine Art. Und das "Old Boy" im hiesigen Cinemaxx lief, das ist überhaupt eine Sache für sich. Crazy.
bähr - am Freitag, 24. Dezember 2004, 01:15 - Rubrik: blockbusters!
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Gerade in "Ocean's 12" gewesen. Das war sehr nett, sehr launig. Aber irgendwie nicht so richtig toll. Mein Problem: Ich mag das Genre. Ich liebe "To catch a thief" und ich war begeistert von "The good thief" von Neil Jordan. Soderbergh hat ein kleines Menuett gebaut, die Figuren tanzen abgezirkelt um sich herum und kratzen artig mit den Füßen. Es ist locker. Es ist cool. Es ist laid back. Prima. Aber es ist kein großer Film, und dass er das garnicht sein will, hlft nicht gegen Erwartungen. Die beiden Kronzeugen von oben haben etwas, dass "Ocean's 12" fehlt: Es ist die Tragik. Die Meisterdiebe sind Zauberer, sie sind elegant, souverän, aber eben eins nicht: unangreifbar. Im Gegenteil: Stets habe sie ja ihre Karriere schon hinter sich, sind eigentlich schon davongekommen, und müssen es dann doch noch mal wissen wollen.Und darum muss man um sie Angst haben - es ist ein souveränder Tanz über dem Abgrund, wir fürchten, dass ihre Eleganz sie nicht mehr schützen kann, dass sie alles verlieren. Wir denken: Lass es, fordere dass Schicksal nicht heraus. Und sie tun es doch, lässig, scheinbar unangestrengt. Das fehlt "Ocean's 12"". Darüber, zu zeigen, wie unwichtig die Handlung, die Diebstahlsmechanismen (von denen doch so viel abhängt), die Pläne und Gegenpläne eigentlich sind, geht dem Film etwas verloren, genau das, was seine Vorbilder trägt. Es bleibt die Eleganz, das Spiel, das Augenzwinkern, die Show, der Style. Die Oberfläche. Doch die andere Waagschale ist leer. Und George Clooney ist einfach nicht Cary Grant. Never will be.
bähr - am Freitag, 24. Dezember 2004, 01:02 - Rubrik: blockbusters!
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...ich hab mal auf dem Hanburger Filmfest Sokurov angesprochen, weil ich bei ihm, den ich ernsthaft bewunderte, ein Praktikum machen wollte. Ein halbes Jahr später rief jemand von seiner Produktionsfirma an, Sokurov will einen Film auf Rügen drehen, ob ich mitmachen will (natürlich keine Kohle). Ich war aber davor 6 Wochen von der Uni weg, und hätte meinen Hiwi-Job schmeißen müssen, um nochmal abzuziehen. Hin und her und hin und her überlegt, und dann gefunden, ich brauche die Kohle von der Uni und abgesagt.
Dann 9 Monate später im Panorama in Berlin gesessen und mir die Premiere von "Mutter und Sohn" angesehen. Fand ich super. Nach dem Film waren alle gerührt. Applaus. Danach rief Sokurov, dieser kleine, stämmige, freundliche, tiefe und so begabte Mann sein ganzes Team auf die Rampe und ließ sie feiern. Ich war nicht dabei, ich hatte ja abgesagt. Ich blieb in den Kinoreihen sitzen und habe geklatscht.
Den Job an der Uni war ich da schon los. Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Dann 9 Monate später im Panorama in Berlin gesessen und mir die Premiere von "Mutter und Sohn" angesehen. Fand ich super. Nach dem Film waren alle gerührt. Applaus. Danach rief Sokurov, dieser kleine, stämmige, freundliche, tiefe und so begabte Mann sein ganzes Team auf die Rampe und ließ sie feiern. Ich war nicht dabei, ich hatte ja abgesagt. Ich blieb in den Kinoreihen sitzen und habe geklatscht.
Den Job an der Uni war ich da schon los. Scheiße. Scheiße. Scheiße.
bähr - am Freitag, 24. Dezember 2004, 00:48 - Rubrik: things i never told you
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...mit Gerard Depardieu im Fahrstuhl. Er war klein (typisch für Filmstars?) und hatte sich kurz vorher besoffen im Bad die Nase blutig geschlagen.
Mehr hab ich nicht zu bieten.
Mehr hab ich nicht zu bieten.
bähr - am Freitag, 24. Dezember 2004, 00:41 - Rubrik: things i never told you
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Es gab schon Jahre, in denen ich mehr ins Kino gegangen bin - weiß Gott. Aber es gab anderes zu tun, und immer mehr wird der eigentliche Kinobesuch etwas, dass ich dann eben doch bleiben lasse - da muss schon ein Brummer kommen, damit ich gleich hinrenne. Da gab es was zu renovieren. Eine kleine Person, die einfach Vorrang hat, und der ich ohnehin schon weniger Zeit geschenkt habe, als sie es verdient hat. Arbeit, die ohne mich einfach nicht gemacht wird, und an meinem Hirn zerrt. Zudem hielt Ende des letzten Jahres ein DVD-Player Einzug in der Hütte, und er wurde ein gern genommenes Surrogat des Kinobesuchs - weit mehr, als es Video jemals war. Hätte ich nicht gedacht. Und so wurden DVD-Erscheinungen für mich fast ebenso wichtig wie Kinostarttermine. Eine Entwicklung, die sich übrigens an dem Auftreten von Filmnotizen in so einigen gleichgerichteten Blogs bemerken lässt - zuletzt im Falle von "Old Boy", dem bei seinem Erscheinen auf DVD fast mehr Aufmerksamkeit zu Teil wurde als bei seinem Kinostart.
DVD hat die Angst des Verpassens aus dem Leben genommen - auf jedem Fall was Standardware betrifft. Und manches, wie etwa "Bad Santa" lasse ich im Kino durch, weil ich ja wenig später auf die OmU-Fassung auf DVD spekulieren kann. Und das dann in so einem Fall einfach besser finde - den schimpfenden und fluchenden Thornton brauche ich nicht in der Synchronfassung. Ach ja: Und DVD zapft natürlich dem Kino auch Zeit ab, weil ja nun die ganzen guten Serien daheim im Original geglotzt werden können - und da galt es nun am Anfang, einen Wellenberg des vorher entgangenen abzuschmirgeln: Mad about you, 24, West Wing...
Video war für mich immer ein Mediums des Hinterherrennens, des Erhaltens und Bewahrens. DVD ist nun vielmehr ein eigenständiges, viel gestaltender. Also: 2004: Auf jeden Falll das Jahr der DVD im Hause bähr.
Großes Vorhaben für 05: Statt einem (lächerlich!) zwei (immerhinque!) lange Wochenenden auf der Berlinale. Seufz.
DVD hat die Angst des Verpassens aus dem Leben genommen - auf jedem Fall was Standardware betrifft. Und manches, wie etwa "Bad Santa" lasse ich im Kino durch, weil ich ja wenig später auf die OmU-Fassung auf DVD spekulieren kann. Und das dann in so einem Fall einfach besser finde - den schimpfenden und fluchenden Thornton brauche ich nicht in der Synchronfassung. Ach ja: Und DVD zapft natürlich dem Kino auch Zeit ab, weil ja nun die ganzen guten Serien daheim im Original geglotzt werden können - und da galt es nun am Anfang, einen Wellenberg des vorher entgangenen abzuschmirgeln: Mad about you, 24, West Wing...
Video war für mich immer ein Mediums des Hinterherrennens, des Erhaltens und Bewahrens. DVD ist nun vielmehr ein eigenständiges, viel gestaltender. Also: 2004: Auf jeden Falll das Jahr der DVD im Hause bähr.
Großes Vorhaben für 05: Statt einem (lächerlich!) zwei (immerhinque!) lange Wochenenden auf der Berlinale. Seufz.
bähr - am Freitag, 24. Dezember 2004, 00:35 - Rubrik: things i never told you
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Als Kind war das Kino für mich ein doppelgesichtiger Ort. Denn einerseits gab es dort das harmlose Vergnügen – etwa, wenn ich mich an das Jahr 1978 erinnere, dessen Sommer ich damit verbrachte, mich, angestachelt durch spektakuläre Vorankündigungen, auf „Elliot das Schmuzelmonster“ zu freuen. Natürlich war ich ein pflichtbewusster Leser der „Micky Maus“, in der kleine Geschichten und tolle Abbildungen dieses kommenden Ereignisses schon zu sehen waren, und so war ich bestens auf die fantastischen Tricks, die zu erwarten waren vorbereitet. Ein Film, in dem ein Zeichentrickmonster gemeinsam mit echten Kindern auftrat! Galaktisch! Ebenso vorgearbeitet wurde natürlich für „Bernard und Bianca“, einer der schönsten Disney-Filme meiner Kindheit. Auch er ein Film dieses Filmwinters, der in meiner Erinnerung die sehr viel größere Rolle spielt, weil er einfach der weitaus bessere Film war. Aber natürlich war das Jahr 1978 in Deutschland auch das Jahr des ersten Star Wars-Films. Er löste, auch in meiner kleinen Stadt im Norden, eine Euphorie ohne gleichen aus. Der Soundtrack in der Hitparade! Poster an Kinderzimmerwänden! Fotoromane in der BRAVO! Ältere auf dem Schulhof, die erzählten. Und die natürlich die Geschichte nachspielten, sich mit den geheimnisvollen Rollennamen ansprachen. Das Geräusch der Laserschwerter („Dzummmm!!!“) imitierten. Ich witterte so einiges. Und ja, meine Schwester hatte ja die BRAVO. Und so sah ich mir natürlich auch die Bilder an, die Bilder, die mich schaudern machten. Auf dünnem Papier das Laserschwertduell zwischen Darth Vader und Luke Skywalker. Das war für mich die dunkle Seite des Kinos, die jenseits der kindlichen Begeisterung für einen Trickfilm lag: Hier war eine große, unheimliche, fasznierende, beängstigende Geschichte. Es war dunkel, es ging um Tod, Leben und abgehackte Hände. Ich sah mir diese Fortsetzung des Fotoromans oft an. In der Schauburg lief der Film sehr lange, und er lief in diesem Jahr auch noch Weihnachten. Und an einem Adventsabend, als das endlose Warten auf den Tag der Tage auf seinen zermürbenden Höhepunkt zulief, beschloss meine Mutter, man wolle sich diesen Film doch nun auch einmal ansehen. Und dass ich, obwohl noch keine zwölf, mitdürfte. Ich willigte begeistert ein, doch im Laufe des Nachmittags, wir wollten in die Sechsuhrvorstellung, keimten Zweifel in mir auf. Noch einmal nahm ich die sorgsam aufgehobene Fotoseite in die Hände. Oh nein, mir wurde klar, dass ich nicht mitkommen würde. Ich hatte Angst. Ich hatte auch Angst, den Film NICHT zu sehen. Nicht zu den Wissenden zu gehören. Ich musste doch mit. Ich steckte fest. Ich blieb verzweifelt zu Hause zurück, und beschloss fernzusehen, um mich von der Niederlage, die ich mir selbst bereitet hatte, abzulenken. Es lief ein Trickfilm, ein tschechischer Märchenfilm, der ein Jahr zuvor entstanden war: „Krabat“ von Karel Zeman. Die Geschichte von dem Jungen, dessen Eltern sterben, und der bei einem Müller in die Lehre eintritt. Der Müller ist ein Zauberer, der stets zwölf Lehrlinge hat. Einer von ihnen wird am Ende jedes Jahres geopfert, um dem alten Zauberer ein neues Lebensjahr zu erkaufen. Wie Krabat ihm ausgeliefert ist, von ihm geschunden wird, in der Mühle bis aus Blut arbeiten muss, in einen Raben verwandelt wird, selbst am Ende dann als Opfer ausgewählt wird. Wie er den Zauberer besiegt, durch dessen hölzernen Kopf in der letzten Szene dann ein gewaltiger Riss fährt, der sein Gesicht spaltet. Ein Kind, ganz allein, ohne Schutz, ohne Macht dem BÖSEN ausgeliefert, GANZ ALLEIN! Ich war gebannt, entsetzt. Einer der gruseligsten Filme, die ich je gesehen habe. Ein Film, neben dessen schrecklicher Geschichte „Star Wars“ noch heute wie ein freundlich-naives Märchen mit ein paar spannenden Szenen erscheint. Im vorweihnachtlichen Kinderprogramm. Draußen war es dunkel. Als meine Mutter und meine Schwester zurückkamen, waren sie heiterer Laune und erzählten von dem Film. Ich hatte in der Phase meines Zweifels erwartet, dass ich sehr neidisch sein würde – ich war es nicht. Es gab heißes Nesquik, ich lauschte zerstreut. Ich schaute mir Star Wars wenig später doch noch an. Kein Vergleich – ein großer Spaß, natürlich spannend und begeisternd. Auch ein Waisenkind. Auch dem BÖSEN ausgeliefert, einem schlimmen Zauberer. Aber nicht hilflos. Nicht allein. Nicht so entsetzlich hoffnungslos. Die schreckliche Verlassenheit, vor der sich ein Kind so fürchten kann, scheint Luke Skywalker kaum zu berühren. Der Riss im Kopf des Zauberers war erlösender als der explodierende Todesstern. Das größere Bild.
Noch heute spüre ich den Schrecken, der mich an einem Vorweihnachtsabend allein zu Hause vor dem Fernseher überkam. Und das Glück über ein gutes Ende.
bähr - am Mittwoch, 22. Dezember 2004, 01:14 - Rubrik: Der Tod bei der Arbeit