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krabat

Als Kind war das Kino für mich ein doppelgesichtiger Ort. Denn einerseits gab es dort das harmlose Vergnügen – etwa, wenn ich mich an das Jahr 1978 erinnere, dessen Sommer ich damit verbrachte, mich, angestachelt durch spektakuläre Vorankündigungen, auf „Elliot das Schmuzelmonster“ zu freuen. Natürlich war ich ein pflichtbewusster Leser der „Micky Maus“, in der kleine Geschichten und tolle Abbildungen dieses kommenden Ereignisses schon zu sehen waren, und so war ich bestens auf die fantastischen Tricks, die zu erwarten waren vorbereitet. Ein Film, in dem ein Zeichentrickmonster gemeinsam mit echten Kindern auftrat! Galaktisch! Ebenso vorgearbeitet wurde natürlich für „Bernard und Bianca“, einer der schönsten Disney-Filme meiner Kindheit. Auch er ein Film dieses Filmwinters, der in meiner Erinnerung die sehr viel größere Rolle spielt, weil er einfach der weitaus bessere Film war. Aber natürlich war das Jahr 1978 in Deutschland auch das Jahr des ersten Star Wars-Films. Er löste, auch in meiner kleinen Stadt im Norden, eine Euphorie ohne gleichen aus. Der Soundtrack in der Hitparade! Poster an Kinderzimmerwänden! Fotoromane in der BRAVO! Ältere auf dem Schulhof, die erzählten. Und die natürlich die Geschichte nachspielten, sich mit den geheimnisvollen Rollennamen ansprachen. Das Geräusch der Laserschwerter („Dzummmm!!!“) imitierten. Ich witterte so einiges. Und ja, meine Schwester hatte ja die BRAVO. Und so sah ich mir natürlich auch die Bilder an, die Bilder, die mich schaudern machten. Auf dünnem Papier das Laserschwertduell zwischen Darth Vader und Luke Skywalker. Das war für mich die dunkle Seite des Kinos, die jenseits der kindlichen Begeisterung für einen Trickfilm lag: Hier war eine große, unheimliche, fasznierende, beängstigende Geschichte. Es war dunkel, es ging um Tod, Leben und abgehackte Hände. Ich sah mir diese Fortsetzung des Fotoromans oft an. In der Schauburg lief der Film sehr lange, und er lief in diesem Jahr auch noch Weihnachten. Und an einem Adventsabend, als das endlose Warten auf den Tag der Tage auf seinen zermürbenden Höhepunkt zulief, beschloss meine Mutter, man wolle sich diesen Film doch nun auch einmal ansehen. Und dass ich, obwohl noch keine zwölf, mitdürfte. Ich willigte begeistert ein, doch im Laufe des Nachmittags, wir wollten in die Sechsuhrvorstellung, keimten Zweifel in mir auf. Noch einmal nahm ich die sorgsam aufgehobene Fotoseite in die Hände. Oh nein, mir wurde klar, dass ich nicht mitkommen würde. Ich hatte Angst. Ich hatte auch Angst, den Film NICHT zu sehen. Nicht zu den Wissenden zu gehören. Ich musste doch mit. Ich steckte fest. Ich blieb verzweifelt zu Hause zurück, und beschloss fernzusehen, um mich von der Niederlage, die ich mir selbst bereitet hatte, abzulenken. Es lief ein Trickfilm, ein tschechischer Märchenfilm, der ein Jahr zuvor entstanden war: „Krabat“ von Karel Zeman. Die Geschichte von dem Jungen, dessen Eltern sterben, und der bei einem Müller in die Lehre eintritt. Der Müller ist ein Zauberer, der stets zwölf Lehrlinge hat. Einer von ihnen wird am Ende jedes Jahres geopfert, um dem alten Zauberer ein neues Lebensjahr zu erkaufen. Wie Krabat ihm ausgeliefert ist, von ihm geschunden wird, in der Mühle bis aus Blut arbeiten muss, in einen Raben verwandelt wird, selbst am Ende dann als Opfer ausgewählt wird. Wie er den Zauberer besiegt, durch dessen hölzernen Kopf in der letzten Szene dann ein gewaltiger Riss fährt, der sein Gesicht spaltet. Ein Kind, ganz allein, ohne Schutz, ohne Macht dem BÖSEN ausgeliefert, GANZ ALLEIN! Ich war gebannt, entsetzt. Einer der gruseligsten Filme, die ich je gesehen habe. Ein Film, neben dessen schrecklicher Geschichte „Star Wars“ noch heute wie ein freundlich-naives Märchen mit ein paar spannenden Szenen erscheint. Im vorweihnachtlichen Kinderprogramm. Draußen war es dunkel. Als meine Mutter und meine Schwester zurückkamen, waren sie heiterer Laune und erzählten von dem Film. Ich hatte in der Phase meines Zweifels erwartet, dass ich sehr neidisch sein würde – ich war es nicht. Es gab heißes Nesquik, ich lauschte zerstreut. Ich schaute mir Star Wars wenig später doch noch an. Kein Vergleich – ein großer Spaß, natürlich spannend und begeisternd. Auch ein Waisenkind. Auch dem BÖSEN ausgeliefert, einem schlimmen Zauberer. Aber nicht hilflos. Nicht allein. Nicht so entsetzlich hoffnungslos. Die schreckliche Verlassenheit, vor der sich ein Kind so fürchten kann, scheint Luke Skywalker kaum zu berühren. Der Riss im Kopf des Zauberers war erlösender als der explodierende Todesstern. Das größere Bild.

Noch heute spüre ich den Schrecken, der mich an einem Vorweihnachtsabend allein zu Hause vor dem Fernseher überkam. Und das Glück über ein gutes Ende.
mabo meinte am 22. Dez, 08:56:
wie schön,wie wahr,wie ehrlich....
der text macht die zeit damals fast wieder greifbar - wie ein e-shot aus einem film der in meiner kindheit spielt.
the horror,the horror...,saß ich in dieser zeit ende der 70er immer in den sonntäglichen kindervorstellungen,um mir bud + terence oder louis de oder superman anzusehen - was kommt als vorschau ? godzilla,riesige monstren aus dem all,die unter ohrenbetäubendem lärm alles,aber auch alles zerstören.der star wars-trailer schreckte mich ebenfalls immer - augen zu,ohren zu.
krabat ist tatsächlich ebenfalls auf ewig als gefühl in meinem kopf geblieben,ich wußte lange nicht mehr warum ich mich so gruselte bis ich letztes jahr eine ich glaube scherenschnitt-version gesehen habe - sofort mit beginn des filmes war der horror wieder da !
auch wenn diese version mich schnell langweilte,die stimmung blieb getrübt,wohl eher aus der erinnerung heraus.
letztes jahr gabs im epd-film eine kurze nachricht,das hans-christian schmid den zuschlag zur realverfilmung von krabat bekommen hat nebst fördergeldern ( imdb meldet leider kein in production )- vor den reddingbrüdern,die nach dem golem ihr zweites großes projekt abschreiben mussten.( vielleicht besser so ?)
wäre ja doch sehr interessant den real-krabat zu sehen ,dem schmid trau ich alles zu - wahrscheinlich würde der film mir wieder sehr schnell langweilig erscheinen,der horror,der horror jedoch ist seit dem ersten male sehen im kopf... 
bähr antwortete am 22. Dez, 11:40:
Ich glaube auch an den Schmid. Er ist ein guter.
Axel Milberg als böser Zauberer? Hier findet sich Genaueres:
http://www.taz.de/pt/.nf/spText.Name,berlinale.idx,61 
 

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