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It's only DVD but I like it

Wolfgang Petersen ist ein Mann, der froh ist, in Amerika zu sein. Das kann er nicht häufig genug sagen. Denn hier kann er Geschichten erzählen, die er daheim nie hätte erzählen können. Und die des Untergangs von Troja, so die Werbung, ist ja die größte von allen. Und in Amerika vielleicht eine von vielen - mal sehen, was noch größer wird: Alexander, Hannibal, das Altertum gibt da ja so einiges her. Und mit der man so einiges machen kann, was dem Deutschen, der noch in der ohrensesseligen Gemütlichkeit seines Gymnasiums, die Ideale Winkelmanns als besticktes Kopfkissen, die Ilias verzapft bekam, ungut im Magen liegt.
Der hat ja einfach die Götter weggelassen. "Wer hätte die spielen sollen?" Fragt Petersen naiv. "Woody Allen?" Nein, da lässt er sie lieber weg. Und sucht gleich nach den eigentlichen, wohl für realistisch gehalten Motivationen neben dem Mythos um Paris: Ruhmsucht (Achilles) und Machtgier (Agamemnon). Die Geschichte um die streitlustige Göttin wird also ganz gestrichen, die um die gestohlene Braut heruntergespielt: Agamemnons Plan ist es stets gewesen Troja zu erobern, Helena ist wenig mehr als nur ein Anlass. Auf die Frage: Was macht Geschichte? verlässt Petersen also komplett die Welt der Story, die er erzählt, er "aktualisiert", "entmythisiert". Damit verliert die Geschichte, die ja vor allem ihrer mythischen Dimensionen wegen fasziniert, eigentlich alles. Und was wird gewonnen? Nicht viel, dennn Petersen, und hier finde ich, wird's interessant, geht den Weg ja nicht zuende. Er demontiert die Tragik der Menschen, die durch das Wirken der Götter entsteht - die Menschen gehen einen Weg, den jeder von ihnen selbst gewählt hat. Das macht aus der ganzen Geschichte so was ähnliches wie eine Doku über den Ausbruch des ersten Weltkrieges, und genauso spannend ist es denn auch.
Und trotzdem mag Petersen nicht seine Helden, Achilles und Herakles, auf den selben Boden herunterholen. Wo die Götter fehlen, bleiben sie Helden - werden dadurch eigentlich erst zu Superhelden. Man hätte auch ihre Bedeutung, die Bedeutung des großen, kriegsentscheidenden Einzeltäters, nivellieren können.
Heere treffen aufeinander, nicht Helden entscheiden die Schlacht. Denn auch die Übermenschlichkeit einzelner Helden, Halbgötter, gehört ja zum Mythos wie die Götter selbst - und wie kann man die Götter töten und es gleichzeitig dabei belassen, Achilles seine Superkräfte zu bewahren (die er ikonisch hat, auch wenn im Film seine göttliche Herkunft nur als Gerücht verhandelt wird)?
Doch, das geht sehr gut, denn bunte Götter passen nicht ins normale Hollywoodgeschehen von heute (daher auch der alberne Verweis auf Woody Allen), Superhelden aller Art sehr wohl.

Und sie nun auch zu beseitigen würde ja bedeuten, nicht nur die Erzählhaltung Homers, sondern auch die Hollywoods zu demontieren. Denn im US-Epos ist es eben nicht, wie Tolstoj es schon vor über 130 Jahren in "Krieg und Frieden" anregte, die Eigendynamik der Masse und der Gesellschaft, die über das Schicksal von Nationen und Kriegen entscheidet, es ist immer noch Bruce Willis, der im entscheidenden Moment die Bombe entschärft und so die Welt rettet.
Petersen hat aus einem Heldenepos einen Superheldenfilm gemacht, und das ist bei Gott kein Tausch, den man wirklich respektieren kann. Es ist ein lauer Kompromiss.
Dann schon lieber die Sandale.

Kleiner Zufall. Auf der Leinwand - "The Village" - ist ein kleiner Koffer/Kasten zu sehen. Fast quadratisch in der Grundfläche und recht hoch. Mit Lederriemen. Herr Hose flüstert: "Wie in ‚Kiss Me, Deadly'". Ich flüstere zurück: "Habe ich gestern gesehen". Dazu muss man (vielleicht auch nicht) wissen, dass uns eine kurzlebige gemeinsame Mitgliedschaft in einem ebenso kurzlebigen Filmclub eint, von dessen wenigen Diskussionsgegenständen "Rattennest" also "Kiss Me, Deadly" einer war. (Neben u.a. "Die 120 Tage von Sodom" und "Total Recall"). Die anderen fanden den Film einst mittelmäßig bis schlecht, mir gefiel er außerordentlich. Das hat sich nun ganz und gar nicht geändert. Im Gegenteil. Der Film hat sich bis heute eine rüde Direktheit bewahrt, die ihresgleichen sucht. Und das liegt vor allem an seinem Erzählmodus weniger an seinem Inhalt, der sicher mal noch erheblich brisanter erschien als heute.
Es fängt mit einer verängstigten Frau an, was schon mal grundsätzlich ein klasse Filmstart ist. Diese Frau befindet sich auf einer nächtlichen Landstraße, bekleidet mit (nix als?) einem kurzen Mantel, und versucht, ein Auto anzuhalten, aber kein Fahrer reagiert. Also stellt sie sich mitten auf die Straße, ein offener Sportwagen (Kenner wollen jetzt die Marke, Baujahr etc., aber ich kenn mich halt nicht aus) bremst hart und kommt seitlich von der Straße ab. In diesem Auto sitzt Mike Hammer, der keinen Hehl daraus macht, dass er nur für einen Daumen nicht angehalten hätte, der die Frau aber gleichwohl mitnimmt. Nun rollen die Titel von oben nach unten über die Autofahrt, also verkehrt herum. Das irritiert. Noch mehr irritiert, dass dieser Vorspann neben Fahrgeräuschen lediglich mit dem Schluchzen der Frau unterlegt ist, das irgendwann fast wie ein irres Lachen klingt. Dann Gespräch der beiden, die Handlung wird vorbereitet, er hilft ihr bei einer Straßensperre widerwillig. Er soll sie an einer Bushaltestelle absetzen, von da käme sie alleine weiter. Für den Fall allerdings, dass sie es nicht bis zur Haltestelle schaffen sollten, sagt sie ihm:"Remember Me!" Wieso sollten sie es nicht schaffen, fragt er, sie seien doch gleich da, als der Wahnsinn auch schon los geht. Nun besteht die Gefahr, den ganzen Film nachzuerzählen. Die ist aber hiermit gebannt. "Kiss Me, Deadly", der seinen von dem eigentlich fast milchbubihaft weich aussehenden Ralph Meeker gespielten Helden Mike Hammer diverse Küsse mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit hinter sich bringen lässt, zeigt eine fürchterliche Welt. Töten und sein Gegenstück Sterben lassen hier jede Eleganz vermissen. Sie sind auch mehr als funktionale Erzählelemente. Sterben tut weh, sieht eklig aus, dauert lange. Mehr als einmal musste ich an "Torn Curtain" denken. Es gibt keine geschliffenen Wortgefechte zwischen Detektiv und Bösewicht. Die Gemeinheit ist direkt und überall, auch ein bisschen in Mike Hammer. (Man bedenke: Wäre er ein noch unsympathischerer und vor allem gleichgültigerer Typ gewesen, als er so schon ist, hätte er also die Frau gar nicht mitgenommen, er hätte weiterhin ohne große Reibung in diese verkommene Welt gepasst). Alle schnauzen sich, wo es geht, gegenseitig an und die gutmütigen oder gut gelaunten Figuren überleben selten. Das furiose Finale - inhaltlich etwas gealtert, von der Darstellung her allerdings gewaltig - hat mindestens Tarantino und Lynch inspiriert (der Koffer aus dem es strahlt/Pulp Fiction und die brennende Hütte/Lost Highway).
Und gibt es eine psychologische Erklärung dafür, dass es mich so berührt hat, erst einen Mann eine lange Treppe von der Kamera weg hinunter laufen und im Gegenschuss eine Frau die gleiche Treppe herunter kommen zu sehen?

Spaß. Purer Spaß. Ein Film, von dem man nicht allzuviel erwartet, dem man nicht viel übel nehmen würde, und der doch jede Menge gibt.
Linkalter macht es gut, das war klar, aber er bleibt in der Regie unauffällig.
Es geht um Jack Black und die anderen Kinder, denen er als "Mr. Schneebly" Rock'n'Roll beibringt. Vor allem um Black. Der Film ist kein Starvehikel, denn Black ist kein Star. Er ist ein Blackvehikel.
Kaum eine Einstellung ohne den gesegneten egomanen Clown, und das ist gut so, solange man den Mann mag. Ich mag ihn.

Die Geschichte Kolportage: Ein dicker Looser, dessen Leben Musik ist, schmuggelt sich unter anderem Namen an eine furzkonservative Grundschule und verwandelt seine Klasse in eine begeisterte Rockband, wobei er die bisher unter der Schulpflicht verschütteten Potentiale (Selbstbewusstsein, Kreativität) der Kids zum Leben erweckt.
Die Geschichte ist schlicht, das Drehbuch weiß es und versucht garnicht erst, den Film auf der Spannung der Story aufzubauen - sie begleitet nur das famose Spiel von Black und seinen Schülern, die fast jede Szene zum kleinen Perlchen werden lassen.

Wunderbar: Eine Sequenz, in der Black mit den Kindern, denen er Instrumente zugeteilt hat, Rocker-Posen einübt. Wer dabei an die Mini-Playback-Show denkt ist ein Schuft, denn das hat zuviel Wahrheit: Von der Tradition des Rock, von seiner immer noch aus dem Kanon gedrückten Kultur, von seiner Bedeutung für die Menschen.

Und von dem irren Spaß, der in ihm liegt. Darauf reduziert der Film die Wirkung der Musik, das revolutionäre, antiautoritäre Potenzial wird zwar auch als Unterrichtseinheit vermittelt, aber in der Story nicht wirklich realisiert: Es kommt zum Happy End, die Väter werden nicht umgebracht, sondern begeistert. Aber es ist ja auch ein Kinderfilm.

Eben auf DVD gesehen, nachdem ich schon seit Wochen in der DVD-Ausleihe dran vorbeigelaufen bin und mich nicht selten für weit schlechtere Ware entschieden hatte. Auch heute hatte ich schon "Paycheck" in der Hand, weil ich dachte: Ach mach dir nen launigen Abend mit ein Woo-Action-Knaller. Außerdem wollte ich ihm noch ne Chance geben, nachdem ich vor ein paar Tagen von "The Thief" so gelangweilt war, dass ich abgeschaltet habe. Dann nahm ich - das passt - lieber doch "The Good Thief" von Neil Jordan, mit dem ich wechselhafte Erlebnisse verbinde.
Aber mein Gott, das hat mit wirklich gefallen. Nick Nolte, brillant, lässig, schnoddrig, gefährdet, souverän wie immer, in einem traumhaft schimmernden Nizza, umgeben von schönen Halbweltgestalten, dabei, einen großen Casino-Überfall zu planen. Und durchzuführen. Ein wahres caper movie: die Vorgeschichte, die Zusammenstellung des teams, der Verrat, die Dame, der Polizist, die Volten am Ende.
Schöner als Soderberghs Versuch, wenn man mich fragt, gelassener, lässiger, und spannender (wobei der Film allerdings so laid back ist, das Spannung eigentlich nur angespielt, dreimal um den Finger gewirbelt und dann wieder zur Seite gelegt wird).
Die beiden Filme stehen zueinander wie ihre Schauplätze: Las Vegas und Monte Carlo. Und da bin ich natürlich immer für Monte Carlo, aber das ist Geschmackssache.
Und dann noch ein wunderbarer Soundtrack.
Übrigens das Remake eines Melville-Films: Bob le flambeur. Da wären wir wieder bei Melville.
Geht mir weg mit dem Woo.

Mal Vorweg zum Thema Zufälle: Charlie Sheen spielt einen Jungen Namens Fox (Bud). Jahre später spielt er wieder einen Jungen namens Fox (Michael J.). In "Spin City". Wenn man so will. Aber das nur am Rande. Und ich finde schon in Wallstreet schaut er ein wenig so drein wie Fox.

Martin Sheen ist der beste Darsteller - schon nicht mehr ganz jung, aber doch noch deutlich mehr "Apocalypse Now" als "West WIng". Mit Michael Douglas kann ich mich irgendwie nicht mehr so recht anfreunden, und Terence Stamp ist älter wirklich um Längen besser. Der ganze Film natürlich sehr sehr achtziger. Leider legt Oliver Stone Sheen mehrmals Worte in den Mund, die man nicht so gerne hören möchte. Denn schließlich ist Stone ja ein Liberaler, und der Film ist ein kritischer dem Raubtierkapitlismus der achtziger gegenüber (da waren die Raider bei uns noch garnicht angkommen). Also mahnt Sheen alias Fox seinen Sohn, er soll nicht Broker sein, und sein Geld nur mit dem Geld anderer verdienen, mit geschäften, die Selbstzweck sind, sondern lieber etwas herstellen, etwas erschaffen. Das ist nicht antisemitisch, es gibt auch keine jüdische Figur in dem Streifen, aber es ist ein alter antisemitischer Topos: Die Juden spekulieren mit den Werten, die andere schaffen.
Zudem: Das ganze Börsenvierel New Yorks, die Upper East Side, in die Bud Fox übersiedelt, kaum dass er Erfolg hat, und die er wieder verlässt, als er sich eines besseren besinnt, ist natürlich im im kulturellen Bewusstsein Amerikas mit dem Merkmal "jüdisch" verbunden...

Stone wendet diese Argumentation gegen Reagan, Thatcher und Co., die ja die Bedingungen für diese neue Geschäftswelt schufen. Es bleibt aber die schon biblische Verurteilung des Geldverleihers, und das ist nicht gut, auch wenn es ja eigentlich um was ganz anderes geht.

Vor ein paar Tagen habe ich "The Hours" auf DVD gesehen, und seitdem treibt mich neben dem, was der Alltag sonst so durch meine Birne sendet, ein kleines Rätsel um. Die Geschichte von Julianne Moore endet damit, dass Sie ihre Familie, einen Sohn und eine gerade geborene Tochter verlässt, und nach Kanada geht, ohne Begründung einfach für immer abhaut. Um Bibliothekarin zu werden. Der Sohn ist die Hauptfigur einer zeitlich später angesiedelten Episode.Das kam mir bekannt vor, irgendwie so bekannt, das kenn ich doch, von Irving? Schwant mir dunkel. Owen Meany, nein Witwe für ein Jahr, genau, die Protagonistin wird in einer zeitliche früher angesiedelten Episode von ihrer Mutter verlassen, ohne jede Begründung, die geht nach Kanada und schreibt dort Kriminalromane (wenn ich mich nicht täusche).
Kann das Zufall sein? Wir meinen: Nein.
Aber sollte Michael Cunningham in seinem Buch "The Hours", der Vorlage zum Film, bei Irving abgekupfert haben? Oder umgekehrt? So direkt und offensichtlich?

Unwahrscheinlich. Erst recht; weil: "A widow for one year" und "The Hours" sind beide 1998 erschienen.

Eine kosmische Konvergenz? Ein gemeinsamer Austausch über die Rolle nach Kanada entwichener Mütter bei einem Campus-Seminar in Neuengland?

Eine Anspielung auf ein Drittes Werk / Ereignis, das ich nicht kenne?

Geheimnisvoll.

Filme mit Musik von Philip Glass finde ich gut. Und den erst recht, mit wunderbaren Darstellerinnen (die Nase! Besser können SFX nixht mehr werden) und einem wie immer tollen Ed Harris. Am Ende hat man das Gefühl, einen tollen Film gesehen zu haben, über den man, schließlich geht es um Tod, Liebe, Kunst und Familie, dringend genauer nachdenken sollte, aber man ist zu müde.

EIn starker Film, der es aber auch wirklich drauf anlegt, einen so richtig mitzunehmen. Und ziemlich grünlich insgesamt. Eine traurige Geschichte, eine Geschichte, die nachklingt, mit einem wirklich kaputten Del Toro und einem wirklich kranken Penn.

Beinah verdorben durch den deutschen Synchrontext am Ende:
Da wird...

“THEY SAY we all lose 21 grams at the exact moment of our death….everyone.
The weight of a stack of nickels.
The weight of a chocolate bar.
The weight of a humming bird…”,

was zwar insgesamt nicht ganz einsichtig, aber schön ist, am Ende mit "Das Gewicht eines Schokoriegels" übersetzt.
Eines Mars? Eines Snickers? Oder doch eher eines Twix? Und seit wann wiegen die 21 Gramm? Vielleicht die kleinen in den großen Tüten? Das ist zwar lexikalisch nicht wirklich falsch (obwohl: sind das nicht eher candy bars?), aber die meinen doch sowas:

images

Und damit: Die Süße des Lebens. OK, das Lyrische nicht gerafft, aber dann noch dieses Wort!

Schokoriegel!

Wie kann man denn nur diesen Film mit diesem Wort (absichtlich nach hinten gestellt?) ausklingen lassen?

Achim von Börries, Vilsmaier sowieso, und wir ihr alle heißt, mein Gott! Wie stellt Ihr euch eigentlich die zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts vor? War die Stimmung irgendwie "wie auf einem Vulkan"? Die "Ruhe vor dem Sturm"? Tobte in den Cabarets noch das frivole Leben, während draußen schon der Stechschritt über das Pflaster hallte? Lebte man noch in einem letzten Rausch alles aus, bevor die große Nacht anbrach? Standen überall rote Sofas und gut geputzte schwarze Autos? Und der Sekt perlte in den Kelchen?

Und sah dabei alles so angenehm heil und gemütlich und mit Honig übergossen aus? Irgendwie so abendlich, so gelblich, so entrückt?
Halt so honigmäßig?

Etwa so?

gedankenliebe
(Aus: "Was nützt die Liebe in Gedanken")

Oder so?

aimeejaguar
(Aus: "Aimée und Jaguar")

Oder so?

marlene-gross
(Aus "Marlene")

Oder so?

gripsho
(Aus "Gripsholm")

Oder herrschte damals nicht doch eher ein anderer Chic, etwa so:

fb000760

Doch, ja, ich glaube das trifft es eher. Dieser Lifestyle war damals trendy.

Was ist da eigentlich los? Warum sind diese Filme bloß so elendig langweilig? Was ist der irre Reiz an diesem historischen Klischee? Und wer hat die Filter auf die Kameras geschraubt? Und warum versickern selbst die besten Darsteller in diesen betulichen Schmonzetten?

Ich bin ratlos.

Vor ein paar Monaten fiel mir eine alte Ausgabe, 12/1988, der Wiener Filmzeitschrift "Filmlogbuch" in die Hände. Von der hatte ich noch nichts gehört, aber bekannte Namen wie Alexander Horwath und Reinhard Jud machten mich neugierig, vor allem aber ein Artikel "Fast and furious" über die von Roger Corman produzierten Filme von Jonathan Demme, Jonathan Kaplan, Paul Bartel etc. Oft gehört und gelesen, nie vertieft: Viele namhafte Regisseure haben bei Roger Corman angefangen (vielleicht steht ja was darüber in Easy Riders, Raging Bulls, das ich angefangen habe zu lesen, bis mich die vielen Bettgeschichten etwas ermüdet haben - mal weiterlesen.) Schöner Artikel und informativ und ungeheuer viele der genannten Filme kannte ich nicht, von etlichen hatte ich noch nicht mal gehört. Ich las unter anderem also dies: "1973 kam auch Jonathan Kaplan bei MGM unter Vertrag. THE SLAMS war der erste einer Reihe sehr gewalttätiger Filme, die Kaplan in weiterer Folge für verschiedene Studios inszenieren sollte. Unter ihnen AIP's TRUCK TURNER, 1974, geschrieben für Darsteller wie Robert Mitchum, Ernest Borgnine oder Lee Marvin, im Endeffekt aber dann ein blaxploitation movie mit Isaac Hayes in der Hauptrolle. Corman: 'TRUCK TURNER bereitete mir bis heute den größten Spaß. Ich weiß, es ist ein ziemlich rauher Film. Ich habe ihn erst vo ein paar Wochen wiedergesehen und dachte, oh mein Gott, was für ein Film. Doch zu der Zeit, als er rauskam, war das etwas Anderes. Er entstand im Kontext zu SHAFT, SLAUGHTER oder HITMAN. Damals sagte man, oh, heute sehen wir uns einen black exploitation Film an und man wußte, daß da eine Reihe gewalttätiger Szenen auf einen warteten. Heutzutage sind sie vielleicht etwas schockierend, aber damals haben wir uns kaputtgelacht.'"
Und dann steht da bei WOM ein Film "Isaac Hayes - Chicago Poker" rum. Und siehe da: Es ist "Truck Turner". Schlecht ausgestattet, aber billig. Also mitgenommen. Und jetzt der Clou: Corman hat Recht. Der Film macht größten Spaß und hält einige der wunderschöne Kuriositäten parat. Nur ein Beispiel. Zu dem Begräbnis eines sadistischen Zuhälters, kommen die anderen Zuhälter der Gegend um Abschied zu nehmen. Es handelt sich ausnahmslos um grellbunt angezogene, mit auffälligen Hüten versehene Paradiesvögel. Der tollste ist Yaphet Kotto mit weißem Mantel und blaulila Schlapphut. Jeder verabschiedet sich nun unter den skeptischen Blicken des ängstlichen Priesters individuell von dem Toten. Einer streut ihm dabei sogar liebevoll weißes Pulver auf den Handrücken. Dabei wechselt die Perspektive zwischen Blick ins und aus dem Grab. Als letzter ist Yaphet Kotto dran und der spuckt uns einen dicken Rotz ins Grab und auf den Bildschirm.
Bis zur Hälfte ist "Truck Turner" ein einigermaßen konventioneller Actioner, danach aber breitet sich eine schöne fiebrige, hitzige Stimmung aus, die auch zu den besagten Härten führt. Auf jeden Fall ist der Film ein großer Spaß und die Musik von Isaac Hayes supercool.
Truck Turner bedeutet übrigens nicht sowas wie Lastwagenwender (hab' ich seit Lektüre des Artikels bis zur Filmsichtung halb unbewusst gedacht), sondern ist natürlich ein Name.

"Sunshine State" auf DVD gesehen. Soweit ist es schon, dass auch ein neuer (2002) Film von John Sayles den Weg ins Kino nicht mehr findet. Das ist umso bestürzender, wenn er so gut ist wie dieser. Aber auch Woody Allen hat keine Garantie mehr (Hollywood Ending, tatsächlich kein besonders guter Film, aber trotzdem. Und er hat immerhin mindestens einen denkwürdigen Satz. Woody Allens Sohn hat sich in HE von allen bürgerlichen Wertvorstellungen verabschiedet und besteht darauf, "Scumbag" genannt zu werden. Das ist für Woody Allen natürlich zunächst unvorstellbar und auch unmöglich, aber als dann die zögerliche aber zärtliche Annäherung geschafft ist, sagt er: "I love you Scumbag".) Und Cronenbergs "Spider" stand ja auch auf der Kippe. Bei David Mamet wird man in Zukunft vielleicht mit jedem zweiten rechnen können. (Derweil kann man sich ja monatlich "House of Games" auf DVD ansehen.) Während ich gerade zum ersten Mal "A Beautiful Mind" sehe, mich gut unterhalte und trotzdem immer denke: alles Show, kommt die erste Vorstellung der Spieltheorie. Eine hübsche Blondine steht im Raum, ein paar Freundinnen um sie geschart (die sollen als nicht so hübsch gelten, stimmt aber nicht, tut allerdings der Szene auch keinen Abbruch.) Da kommt John Nash/Russell Crowe der Gedanke, dass - stürzen sich jetzt alle auf die Blondine - sie sich nur gegenseitig blockieren und andererseits anschließend auch bei den zunächst verschmähten, jetzt beleidigten Freundinnen keinen Erfolg mehr haben. Wendeten sie sich allerdings gleich den Freundinnen zu, kämen alle zum Erfolg. Schön, wie im Zuge dieses Gedanken jeweils die überflüssigen Teilnehmer zerplatzen, noch schöner Crowes Gesicht, wenn er sagt: "That's the only way we all could get laid" und am schönsten das verdutzt-beleidigte Gesicht der Blondine, wenn keiner ihr Aufmerksamkeit zollt. Bei der Freude darüber musste ich also wieder an Sunshine State denken - und darum muss "A Beautiful Mind" jetzt ein paar Minuten auf Eis liegen.
Das ist jetzt, wenn ich richtig zählen kann der fünfte Film, in dem Sayles den Versuch unternimmt, innerhalb einer mehr oder weniger eng umrissenen historischen oder beispielhaften Situation, die komplexen Beziehungen und vor allem Machtstrukturen , in denen die Beteiligten zueinander gefangen sind, auszubreiten. Und es ist der fünfte Film, in dem ihm das glänzend gelingt. In Florida, dem "Sunshine State", versucht eine mächtige Invetorengruppe, ein zusammenhängendes Areal günstig zu erwerben, um dort eine Profit versprechende Luxussiedlung zu errichten. Dazu müssen auf verschiedene Weise die Eigentümer ausgetrickst werden und die örtlichen Behörden gefügig gemacht werden. Pikant ist zudem, dass es sich bei Lincoln Beach - so der Name - um eine Gegend handelte, die zu Zeiten der Rassentrennung vollständig von Schwarzen aufgekauft worden war.
Wie schon in "City of Hope" und "Lone Star" wählt Sayles einen politischen Ansatz. Die Figuren sind an das zentrale Problem, vielleicht sogar Anliegen, gekoppelt. Daraus entwickelt Sayles ihre Geschichten. Da er aber auch dem Ort des Geschehens zentrale Bedeutung zuweist und ihn auch höchst sinnlich darzustellen weiß, sind die Figuren im wahrsten Sine des Wortes geerdet. Und damit sehr glaubwürdig, denn sie werden nicht zu Beweisen einer These gemacht, sondern sind Menschen, die irgendwie eine Aktie im Spiel haben.
Man muss sich immer wieder neu auf einen Film von John Sayles einstellen. Diese spezifische Art zu erzählen ist nämlich einzigartig. Verglichen mit anderen Multi-Personen-Dramen (Altman, Anderson), ist es ihm weder um Geschwindigkeit, noch um eine höhere menschliche Wahrheit zu tun und sie sind auch zu keinem Zeitpunkt zynisch (nicht dass zynisch schlecht wäre, sie sind es nur nicht.) Es geht halt um Menschen und wie sie zusammen leben. Ein Happy End ist da natürlich weder sicher noch ausgeschlossen (oder ein Ende fehlt ganz wie am erschütternden Schluss von "Limbo".) So kann man vielleicht einen Moment lang ungeduldig werden, man wird nämlich nicht gleich mit Brillianz geködert. Wenn einem allerdings der frische Wind seiner Filme (hier ist es die Atlantikbrise) erstmal den Schleim aus dem Schädel gepustet hat, dann ist der Geist frei für zwei aufregende wirklichkeitsgesättigte Stunden.

 

twoday.net AGB

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