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Wolfgang Petersen ist ein Mann, der froh ist, in Amerika zu sein. Das kann er nicht häufig genug sagen. Denn hier kann er Geschichten erzählen, die er daheim nie hätte erzählen können. Und die des Untergangs von Troja, so die Werbung, ist ja die größte von allen. Und in Amerika vielleicht eine von vielen - mal sehen, was noch größer wird: Alexander, Hannibal, das Altertum gibt da ja so einiges her. Und mit der man so einiges machen kann, was dem Deutschen, der noch in der ohrensesseligen Gemütlichkeit seines Gymnasiums, die Ideale Winkelmanns als besticktes Kopfkissen, die Ilias verzapft bekam, ungut im Magen liegt.
Der hat ja einfach die Götter weggelassen. "Wer hätte die spielen sollen?" Fragt Petersen naiv. "Woody Allen?" Nein, da lässt er sie lieber weg. Und sucht gleich nach den eigentlichen, wohl für realistisch gehalten Motivationen neben dem Mythos um Paris: Ruhmsucht (Achilles) und Machtgier (Agamemnon). Die Geschichte um die streitlustige Göttin wird also ganz gestrichen, die um die gestohlene Braut heruntergespielt: Agamemnons Plan ist es stets gewesen Troja zu erobern, Helena ist wenig mehr als nur ein Anlass. Auf die Frage: Was macht Geschichte? verlässt Petersen also komplett die Welt der Story, die er erzählt, er "aktualisiert", "entmythisiert". Damit verliert die Geschichte, die ja vor allem ihrer mythischen Dimensionen wegen fasziniert, eigentlich alles. Und was wird gewonnen? Nicht viel, dennn Petersen, und hier finde ich, wird's interessant, geht den Weg ja nicht zuende. Er demontiert die Tragik der Menschen, die durch das Wirken der Götter entsteht - die Menschen gehen einen Weg, den jeder von ihnen selbst gewählt hat. Das macht aus der ganzen Geschichte so was ähnliches wie eine Doku über den Ausbruch des ersten Weltkrieges, und genauso spannend ist es denn auch.
Und trotzdem mag Petersen nicht seine Helden, Achilles und Herakles, auf den selben Boden herunterholen. Wo die Götter fehlen, bleiben sie Helden - werden dadurch eigentlich erst zu Superhelden. Man hätte auch ihre Bedeutung, die Bedeutung des großen, kriegsentscheidenden Einzeltäters, nivellieren können.
Heere treffen aufeinander, nicht Helden entscheiden die Schlacht. Denn auch die Übermenschlichkeit einzelner Helden, Halbgötter, gehört ja zum Mythos wie die Götter selbst - und wie kann man die Götter töten und es gleichzeitig dabei belassen, Achilles seine Superkräfte zu bewahren (die er ikonisch hat, auch wenn im Film seine göttliche Herkunft nur als Gerücht verhandelt wird)?
Doch, das geht sehr gut, denn bunte Götter passen nicht ins normale Hollywoodgeschehen von heute (daher auch der alberne Verweis auf Woody Allen), Superhelden aller Art sehr wohl.

Und sie nun auch zu beseitigen würde ja bedeuten, nicht nur die Erzählhaltung Homers, sondern auch die Hollywoods zu demontieren. Denn im US-Epos ist es eben nicht, wie Tolstoj es schon vor über 130 Jahren in "Krieg und Frieden" anregte, die Eigendynamik der Masse und der Gesellschaft, die über das Schicksal von Nationen und Kriegen entscheidet, es ist immer noch Bruce Willis, der im entscheidenden Moment die Bombe entschärft und so die Welt rettet.
Petersen hat aus einem Heldenepos einen Superheldenfilm gemacht, und das ist bei Gott kein Tausch, den man wirklich respektieren kann. Es ist ein lauer Kompromiss.
Dann schon lieber die Sandale.
Blake Falls meinte am 12. Okt, 09:50:
Ich fand das ganze Soap Opera-hafte Getue des Films insgesamt doch recht lustig. Aber klar, nimmt man dem Film die Götter so wird es recht schnell beliebig. Zumal es Petersen nun einmal überhaupt nicht gelingt aus der Schlacht selbst eine mitreissende Angelegenheit zu machen. Im Gegensatz zu dem deutlich gelungeneren KING ARTHUR, stehen sich hier zwei in etwa gleichstarke Gegner gegenüber und auch die Sympathien werden schön gleichmäßig auf beide Lager verteilt, spirch: es geht im Grunde um nichts und wer gewinnt ist auch egal. Nun gut, gerade das könnte ja die Basisi dafür bilden, die Sinnlosigkeit der Auseinandersetzung mit all ihren grausamen Konsequenzen zum Thema zu machen, aber dafür bleibt hier alles natürlich viel zu brav.

Das so viel an den zu quasi Super-Helden hinstilisierten Hauptfiguren Pitt und Bana hängen bleibt, habe ich gar nicht so stark als Ausdruck für (unter-)hemdsärmeligen US-Imperialismus verstanden. Dazu war Bitt viel zu Gay dargestellt.

Etwas genervt haben die schlechten Frauenfiguren, die immer wie Kostüme aussehenden Kostüme (wobei die Lederrüstungen wiederum ganz Schmuck sind) sowie vor allem der doch recht altväterliche Inszenierungsstil. Da wird sich später mal kein Renter an Ostern vor dem Fernseher mit Wackelkamera genervt.

Ein Freund von mir hat gemeint, die PEARL HARBOR-haften Kameraflüge über Heere und Schiffe hätten ihn aus dem Film herausgezogen. Seine Standpunkt ist, und ich gebe ihm da völlig Recht, die Kamera dürfte bei der Verfilmung historischer Stoffe immer nur dort platziert werden, wo es für eine der beteiligten Personen auch möglich wäre zu sein. Da zu Zeiten Ilias noch keine Kampfbomber gegeben hätte und die Götter ja aus der Vorlage gestrichen wurden, würde es sich auch verbieten die Kamera durch die Wolken rauschen zu lassen. Oder? 
bähr antwortete am 12. Okt, 23:02:
Nein nein, es geht ja nicht um Imperialismus - imperiale Reflexe kommen hier ja auch garnicht so gut weg. Es geht um die prinzipielle Art, Geschichte darzustellen, und das läuft im US-Kino im allgemeinen auf die entscheidenden Aktivitäten einzelner Handelnder hinaus, eines Mannes, des Heldenmut einen ganzen Krieg entscheidet. Und so werden Kriege eben nicht entschieden. Das war einer der großen Fortschritte in Eisensteins "Potemkin", da gab es keinen agierenden Haupthelden, sondern nur eine ganze Masse von Revolutionären, deren Handeln Aufstand und Film vorantrieben. Eine solche Herangehensweise hätte vielleicht wirklich einen neuen Blick auf das Epos ergeben - man ahnt es nicht.

Zum zweiten: Gewagte These. Der Kamerablick kann durchaus "unmögliche" Blicke präsentieren. Ihn mit einem möglichen Blick einer Handlungsperson zu identifizieren, halte ich für fraglich. Die Kamera ist ja wie alle anderen technischen erzählerischen Mittel des Films nicht "im Film". Dass das so ist, sieht man gerade an gern genommenen Filmgags ("Bananas", der Harfist im Schrank), bei denen extradiegetische Elemente in die Diegese hereingeholt werden, Konvention so zerbrochen und daher ulkig ist.
Wieso sollte das so sein? Wie ist es mit Unterwasseraufnahmen in "Der Rote Korsar"? 
Blake Falls antwortete am 13. Okt, 18:04:
Der "unmögliche Blick" macht das Ganze für mich zum durchs Mikroskop gucken. Wieviel intensiver wäre es gewesen, gemeinsam im Phalanx, Blut, Schweiß und Staub schmecken zu müssen. Der Kameraflug über die aufeinander einstürmenden Heere ist da nur ein bebildernder Blick. Man soll verstehen was passiert, statt selbst mitendrin zu stecken.

Mit einer Unterwasseraufnahme hätte ich da ehrlich gesagt weniger Probleme gehabt. Das aus der Tiefe etwas hinaufschaut erscheint mir irgendwie näher und echter, als Helikopter über alt-griechischen Heeren kreisen zu lassen. Ich habe da übrigens große Hoffnung, dass Oliver Stone in ALEXANDER nicht den gleichen Fehler machen wird. Im Trailer gibt es bereits diese wunderbare Einstellung, bei der die Kamera direkt neben dem Helm Alexanders ins Schlachtgetümel reitet. Verstärkt wird das "näher dran" durch einen dumpfen Ton, als würde man alles durch das Metall eines Helmes wahrnehmen. Da ist man dann doch (trotz der Jolie auf der Besetzungsliste) gleich mal ziemlich neugierig auf mehr. Ich hoffe auf Schlachtszenen, wie aus ANY GIVEN SUNDAY. 
bähr antwortete am 13. Okt, 21:43:
Und, um wieder auf den Anfang zurückzukommen, seltsam, einen götterlosen Himmel zu malen und dann die göttliche Perspektive umsomehr zu strapazieren, weils halt so nett beeindruckend ist - und weil es GEHT. Der Rückzoom, der erst ein griechisches Schiff zeigt und dann die bis zur Oberkante mit Kähnen gefüllte Ägäis zeigt, ist ein feines Beispiel. Das ist Materialästhetik, die verpufft, weil halt das Material nicht echt ist und man daher auch garnicht mehr staunt. 
Kratzbürste meinte am 14. Okt, 14:19:
Oh je!
Ich lese hier immer wieder "Geschichte".
Von Geschichte kann man bei einem Epos wie der Ilias ja wohl nicht reden. Kann doch noch nicht einmal bewiesen werden, daß es diese Schlacht nun wirklich gegeben hat.

Bevor der Film in die Kinos kam, habe ich mir die Ilias noch einmal zu Gemüte geführt. Und anders als damals nervten die Götter mich tierisch. Überall mischten sie sich ein, jeder zweite Krieger auf dem Feld war ein Halbgott, die Helden sind nicht mehr als Marionetten. Deshalb war ich dann auch ganz froh, als es hieß, daß im Film keine Götter vorkommen sollten.
Der Film war überhaupt so gehalten, wie es evtl. gewesen sein könnte (falls es diese Belagerung wirklich jemals gegeben hat). Die Götter hatten ihren Auftritt in Vogelzeichen, unsterbliche Halbgötter und Günstlinge der Götter werden lediglich als hervorragende Krieger dargestellt und der Grund dieses Krieges liegt allein in der Machtgier eines Einzelnen. Troja soll eine bedeutende Stadt gewesen sein, die wahrscheinlich Zoll verlangte. Ein guter Grund eine solche Stadt einnehmen zu wollen.
Gestört haben mich an dem Film die leidlichen schauspielerischen Leistungen. Bloom, Kruger und O'Toole haben mich doch sehr enttäuscht. Die ersteren beiden konnten mit ihrem ausdruckslosen Minenspiel niemanden überzeugen und O'Tooles Gestik war einfach zu sehr alte Schule.
Einige Details fand ich ganz nett. Thetis sah man beim Muschelsuchen und Achilles riss sich im Sterben noch alle Pfeile ab außer dem einen in der Ferse.

King Arthur habe ich versucht so schnell als möglich zu verdrängen. Die Schlachten waren auf 12-jähriges Publikum zugeschnitten und die große Ansprache (im Braveheart-Verschnitt) vor lediglich 5 Rittern ... 
bähr antwortete am 14. Okt, 15:15:
Guter Punkt. Es ging mir natürlich um die Darstellung von der Dynamik von Kriegsgeschehen im Hollywoodfilm - und das sind nun meist historische Szenarien. Und Geschichte ist meist gleich Kriegsgeschichte.
Da einen Unterschied zwischen fiktiver und realer Geschichte zu machen, ist, finde ich schwierig, solange die fiktive Geschichte entlang der "realen" Logik erzählt wird. Und dann kann man über den Fiktionsstatus von Geschichte im allgemeinen streiten - ist eine Darstellung des trojanischen Krieges "fiktiver" als die der letzten Stunden im Führerbunker? Man mag es bezweifeln, Konstruktion ist eh alles. 
 

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