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"Sunshine State" auf DVD gesehen. Soweit ist es schon, dass auch ein neuer (2002) Film von John Sayles den Weg ins Kino nicht mehr findet. Das ist umso bestürzender, wenn er so gut ist wie dieser. Aber auch Woody Allen hat keine Garantie mehr (Hollywood Ending, tatsächlich kein besonders guter Film, aber trotzdem. Und er hat immerhin mindestens einen denkwürdigen Satz. Woody Allens Sohn hat sich in HE von allen bürgerlichen Wertvorstellungen verabschiedet und besteht darauf, "Scumbag" genannt zu werden. Das ist für Woody Allen natürlich zunächst unvorstellbar und auch unmöglich, aber als dann die zögerliche aber zärtliche Annäherung geschafft ist, sagt er: "I love you Scumbag".) Und Cronenbergs "Spider" stand ja auch auf der Kippe. Bei David Mamet wird man in Zukunft vielleicht mit jedem zweiten rechnen können. (Derweil kann man sich ja monatlich "House of Games" auf DVD ansehen.) Während ich gerade zum ersten Mal "A Beautiful Mind" sehe, mich gut unterhalte und trotzdem immer denke: alles Show, kommt die erste Vorstellung der Spieltheorie. Eine hübsche Blondine steht im Raum, ein paar Freundinnen um sie geschart (die sollen als nicht so hübsch gelten, stimmt aber nicht, tut allerdings der Szene auch keinen Abbruch.) Da kommt John Nash/Russell Crowe der Gedanke, dass - stürzen sich jetzt alle auf die Blondine - sie sich nur gegenseitig blockieren und andererseits anschließend auch bei den zunächst verschmähten, jetzt beleidigten Freundinnen keinen Erfolg mehr haben. Wendeten sie sich allerdings gleich den Freundinnen zu, kämen alle zum Erfolg. Schön, wie im Zuge dieses Gedanken jeweils die überflüssigen Teilnehmer zerplatzen, noch schöner Crowes Gesicht, wenn er sagt: "That's the only way we all could get laid" und am schönsten das verdutzt-beleidigte Gesicht der Blondine, wenn keiner ihr Aufmerksamkeit zollt. Bei der Freude darüber musste ich also wieder an Sunshine State denken - und darum muss "A Beautiful Mind" jetzt ein paar Minuten auf Eis liegen.
Das ist jetzt, wenn ich richtig zählen kann der fünfte Film, in dem Sayles den Versuch unternimmt, innerhalb einer mehr oder weniger eng umrissenen historischen oder beispielhaften Situation, die komplexen Beziehungen und vor allem Machtstrukturen , in denen die Beteiligten zueinander gefangen sind, auszubreiten. Und es ist der fünfte Film, in dem ihm das glänzend gelingt. In Florida, dem "Sunshine State", versucht eine mächtige Invetorengruppe, ein zusammenhängendes Areal günstig zu erwerben, um dort eine Profit versprechende Luxussiedlung zu errichten. Dazu müssen auf verschiedene Weise die Eigentümer ausgetrickst werden und die örtlichen Behörden gefügig gemacht werden. Pikant ist zudem, dass es sich bei Lincoln Beach - so der Name - um eine Gegend handelte, die zu Zeiten der Rassentrennung vollständig von Schwarzen aufgekauft worden war.
Wie schon in "City of Hope" und "Lone Star" wählt Sayles einen politischen Ansatz. Die Figuren sind an das zentrale Problem, vielleicht sogar Anliegen, gekoppelt. Daraus entwickelt Sayles ihre Geschichten. Da er aber auch dem Ort des Geschehens zentrale Bedeutung zuweist und ihn auch höchst sinnlich darzustellen weiß, sind die Figuren im wahrsten Sine des Wortes geerdet. Und damit sehr glaubwürdig, denn sie werden nicht zu Beweisen einer These gemacht, sondern sind Menschen, die irgendwie eine Aktie im Spiel haben.
Man muss sich immer wieder neu auf einen Film von John Sayles einstellen. Diese spezifische Art zu erzählen ist nämlich einzigartig. Verglichen mit anderen Multi-Personen-Dramen (Altman, Anderson), ist es ihm weder um Geschwindigkeit, noch um eine höhere menschliche Wahrheit zu tun und sie sind auch zu keinem Zeitpunkt zynisch (nicht dass zynisch schlecht wäre, sie sind es nur nicht.) Es geht halt um Menschen und wie sie zusammen leben. Ein Happy End ist da natürlich weder sicher noch ausgeschlossen (oder ein Ende fehlt ganz wie am erschütternden Schluss von "Limbo".) So kann man vielleicht einen Moment lang ungeduldig werden, man wird nämlich nicht gleich mit Brillianz geködert. Wenn einem allerdings der frische Wind seiner Filme (hier ist es die Atlantikbrise) erstmal den Schleim aus dem Schädel gepustet hat, dann ist der Geist frei für zwei aufregende wirklichkeitsgesättigte Stunden.
 

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