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Tröstliches für Sprachpuristen liefert eine Beobachtung von Mr. Sick ("Zwiebelfisch") auf SpOn:

Anglizismen killen mit Vorliebe Romanismen, sie sind also viel bedrohter als deutsche Worte. Nahe liegender Gedanke, darum nicht weniger richtig: Für einiges (vor allem Wortfelder aus dem Bereich "schönes Leben", Kultur, etc.) hatte unser etwas tumbes, aber letztlich schrecklich nettes Volk einfach nie Begrifflichkeiten, und so ersetzen die vielbeklagten Wortimporte oft einfach nur ältere, ohne wirklich und wahrhaftig Deutsches zu tangieren: Humpen bleibt Humpen.

"Als Gott noch in Frankreich lebte, da wusste noch jeder, was Savoir-vivre und Laisser-faire bedeuten. Heute dreht sich alles um Lifestyle, und aus dem Laissez-faire-Prinzip wurde "Take it easy!" Was früher "en vogue" war, ist heute "trendy", und eine Mode, die irgendwann "passé" war, ist heute "out". Wer auf dem Laufenden war, der war mal "à jour", und wenn er einverstanden war, dann war der "d'accord". Heute ist er "up to date" und gibt sein Okay. Und wer im Fahrstuhl jemandem auf die Füße tritt, der sagt nicht mehr "Pardon!", sondern murmelt nur noch "Sorry!"

http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,346379,00.html

Biege ich doch auf meinem Heimweg den Hafen am Wasser entlang kurz in die nächste Querstraße, schweres Rotlichtmillieu, ein, um, jawohl!, kurz dem Straßenlärm für ein mobiles Telefonat zu entkommen.
Mehrere Puffeingänge, ein Thailänder, eine rotte Disco. Ich also am Telefonieren, da bewegt sich im rechten Augenwinkel ein Mann auf mich zu, Modell Dieter Pfaff, aber nah am Wahnsinn, angetan mit einem knöchellangen Pelzmantel, fasst mich am Arm und sagt vertraulich, aber laut:

"Hören Sie auf zu suchen, ich habe die ganze Straße gekauft!".

Auf den ersten Blick eigentlich ganz gut gefunden, mit Potenzial auf alle Fälle. Mit dem Personal nicht komplett einverstanden. Der Kanzler irgendwie zu glatt und jüngelig, und Atzorn einfach aus zu vielen Uniformträger und Staatsdienerrollen so durchgekaut, dass es irgendwie der allgemeine Staatzorn ist, der hier agiert. Das schauspielergewordene Bundesrepublikanische Beamtentum.

Um nun aber dem, was mir eigentlich nicht passt, auf die Spur zu kommen, muss man natürlich wieder mit West Wing vergleichen (und der Vergleich ist legitim, da das Drehbuch ihn durch Anlehnung herausfordert: Der in der ersten Folge abwesende und dann verletzt zurückkehrende Kanzler, die Neue, die von de Polizei aufgehalten wird).

Hier soll ja politische Realität fersehtaugliche Unterhaltung werden.
West Wing wagt etwas Ungewöhnliches: Von Anfang an verfolgen wir eine - zumindest immer in einem Handlungsstrang - im Kern politische Dramaturgie. Eine Dramaturgie, die ihre Spannung aus politischen Abläufe bezieht, die man so ja - gerade als nicht US.Bürger - nicht kennt. Und so nur merkt: Das scheint jetzt spannend zu werden, es aber offen ist, warum. Und so ist man dann tatsächlich auch darauf gespannt.
Daran muss man sich Anfangs gewöhnen, die angelegte Dramatik ist nicht immer gleich offenbar, es verlangt einem oft schon etwas ab, zu verstehen, warum das jetzt spannend ist. Es kann zu Irritationen für den ungewöhnten Zuschauer kommen, und man muss schon, auch durch das Spiel, die Dialoge, erahnen, was einen hier erwartet, um mitzugehen.

Wenn man es aber verstanden hat, dann ist es auch wirklich spannend. Der Gewinn sind fesselnde Geschichten, die man einfach noch nie gesehen hat. Das war für mich eine der Sensationen in West Wing.
Das Politische prägte und verformte die Fernsehdramturgie und erschuf so etwas Neues.

In Kanzleramt wurde dies nicht gewagt (oder auch nicht verstanden). Hier wird die altbekannte Fernsehseriendramaturgie auf das Politische geworfen und macht es zu etwas Banalem, Altbekannten. Die gleichen Stories wie sonst auch in Krimis und Ärzteserien, mit den gleichen Gesichtern und anderen Settings. Der einzige Moment, wo etwas mehr durchschimmerte, war der Auftritt der Fraktionsführerin.

Will man das Serienpublikum nach der herrschenden Verdummungsdoktrin "abholen, wo es ist"? Warum bloss immer! Warum nicht mal mit was Aufregendem die Leute rüberlocken. Aber schon klar: Eine erzählerische Zumutung zuviel, und der Zuschauer, den Atzorn oder Behrendt "mitgebracht" haben (dorthin, wo die Zuschauer abgeholt werden? Wo ist das? Altenheim? Klippschule?) ist weg. Futschikato.

Also müssen wir wohl mit dem zumutbaren Leben. Und das ist etwas wie West Wing im deutschen Fernsehen offensichtlich nicht. Sonst wär es hier ja schon mal gelaufen.

Durch die DVDhek streichend, an Regalen rumlungernd, wurde mir klar, dass hier für die kommenden Abende nichts zu finden sein würde, das auch nur irgendwie besser als Twin Peaks wäre. Und in dem Moment des klar werdens bereits begann ich mich zu freuen. Unbestimmte Vorfreude, denn alles, was ich noch in mir trug, war ein "Twin Peaks-Gefühl", lag die letzte begeisterte Sichtung doch (Herrjeh! aber das ist ein anderes Thema) satte 13? 14? Jahre zurück.
Eingesackt, und am späten Abend eingelegt. Und es war toll. Magisch. Wiedererkennen. Neuentdecken. Anders erleben. Einiges prägnant im Detail erinnert, anderes wie niemals gesehen. Der erste Besuch von Benjamin im One Eyed Jack's. Damals verpasst? Hm. Und natürlich: Zum ersten Mal im Original.
Immer noch faszinierend: Wie die Verbindung von teilweise albernem Humor mit echtem, tief bis zur Verunsicherung gehendem Grusel funktioniert.
A strange world.
So was wird ja heute garnicht mehr gebaut.

die Zeit macht es, die SZ macht es, der Stern macht es. DVDs werden vertickert, und im redaktionellen Teil werden die von der "Filmredaktion" ausgewählten Filme dann nochmal für alle zum mitlesen erklärt.
Im redaktionellen Teil? Sollte da nicht eigentlich "Anzeige" drüber stehen?
Oder wie fänden wir es, wenn diese Blätter neben den aktuellen Filmrezensionen auch Kinotickets zu den Filmen, die gut weggekommen sind, verkaufen würden?
In "Kilb's Box Office"?

Es ist schon schwer mit dem Medienjournalismus. Man denkt: "Das mach ich, da muss ich ja nur Fernsehen", ein feuchter Journalistentraum im Zeitalter der Googlerecherche. So dachte auch Anna von Münchhausen.
Und dann sowas. Leider musste v. Münchhausen Blumenberg und Süskind, die Macher von "Kanzleramt" interviewen (Niggemeier wohl krank), und in den bisherigen Berichten hat sie gelesen, dass man da natürlich nach "West Wing" fragen muss. Irgendsone US-Serie, kann ja nix sein, mal schnell im Netz geguckt, ach, so lange Folgenzusammenfassungen, egal, ich muss los.

Oder wie darf man sich diese Einstiegsfrage erklären: "Sollen wir etwas erwarten wie "West Wing", die amerikanische Serie über das Weiße Haus? Da geht es ja vor allem um Liebesaffären und drohende Meteroiteneinschläge."

Mannometer, FAS, ab in die Ecke und schämen.

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ist ein ausschrei von paul giamattis figur miles raymond in SIDEWAYS. und auch einer der titel vom wunderschoenen soundtrack zum film von rolfe kent, irgendwo zwischen sanften jazz und wirklicher fahrstuhlmusik.
ich trinke ihn immernoch, gestern erstmals selbstversuch mit dem im film gehypten pinot noir, dem lieblingswein von miles raymond.
in einer turbulenten szene rennt er durch einen weinberg und schuettet sich so schnell wie moeglich eine flasche in den hals, um zu vergessen, um vor seiner ex fliehen zu koennen.dann haelt er inne, starrt auf die weinreben und nimmt schliesslich eine dieser in die hand, erschreckend klein sind die trauben, er erzaehlt warum der wein so wertvoll, wie schwierig es ist diesen aufzuziehen, zu ernten.
gestern dann der selbstversuch ohne sinnloses besaufen und schreiend durch den ehemaligen weinberg bei mir ums eck laufend, bei kaisers auf pinot noir der gallo-brueder ( ohne vincent ) getroffen, mitgenommen und zwar nicht die geschmacksrichtung erdbeere erkannt, aber immerhin den guten wein, wirklich zu empfehlen !
svensson urteil ueber paynes schaffenshoehepunkt bei ELECTION zur kenntnis genommen und den film in die warteliste geholt ...

Was für eine wunderschöne Überraschung: Der Vorstadt-Film "L¹esquive" des Regisseurs Abdellatif Kechiche, der letztes Jahr im Panorama der Berlinale lief, und den ich im International ganz zufällig sah, gewann die wichtigen Kategorien beim diesjährigen César: Bester französischer Film und beste Regie. Das ist toll. Ein Film, in dem jugendliche Laiendarsteller in ihrer natürlichen Umgebung, den fiesen Vorstädten um Paris, agieren. In dem eine junge Lehrerin ein Drama des Dichters Marivaux von diesen Kindern nachspielen lässt, in dem ein Mädchen Regisseurin sein will und die Begeisterung für das Spiel und alle Eitelkeit, die dazugehört, durchlebt, zu den Wohnsilos hinausträgt, in dem es um Gangs, um Liebe, um Turnschuhe und um wirklich tolle, endlose Schimpfkanonaden zwischen 15jährigen Mädchen geht.
Ich war, wie es der Berlinalegott so will, zufällig in diesen Film geraten, war bezaubert. Eine fremde Welt, eine vitale Welt, ein zwangloser, fröhlicher, famos gespielter Film.
Und ich hätte nie gedacht, jemals wieder etwas von ihm zu hören (wie das bei solchen Filmen eben meist ist). Und nun das: Sticht beim César "Un Long Dimanche de Fiançailles" (Mathilde - Eine große Liebe) und "Les Choristes" (Die Kinder der Monsieur Mathieu) aus.
Das ist wirklich toll und hinterlässt mich für heute versöhnt mit der Welt.

 

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