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Was für eine schöne Trias, was für ein Zufall und eine Gelegenheit zu vergleichen – oder haben die Verleiher sich abgesprochen, uns diesen veritablen Paranoia-Dreierpack zu bescheren. Jedenfalls gab es in derselben Startwoche „The Forgotten“, „The Machinist“ und „The Manchurian Candidate“ durchzusitzen, zu bewundern und zu bestaunen. Die Umwelt stellt sich dem Protagonisten als auf rätselhafte Weise feindlich dar, könnte der kleinste gemeinsame Nenner lauten. Jeweils ist es zumindest eine Zeit lang kaum möglich, zu entscheiden, ob sich die Bedrohung in der Phantasie der Hauptfigur abspielt oder real ist. Und interessanterweise spielen die drei Filme diese Konstellation auf völlig unterschiedliche Arten aus, kommen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen und sind – jetzt wird’s endgültig banal – unterschiedlich gut.

The Forgotten:
Eine kleine Zeitreise. Irgendwann in den tiefen Neunzigern lockte auf dem Hamburger Fantasy Filmfest den klammen und geizigen Filmfreund das Angebot, den Pilotfilm der vermeintlich überdurchschnittlich gelungenen Mystery-Serie „The X-Files“ KOSTENLOS im Metropolis-Kino zu sehen, und das auch noch einige Wochen vor Ausstrahlungsbeginn auf Pro7. Und auf Englisch. Regie: Robert Mandel, der den damals von mir stark geschätzten „F/X – Tödliche Tricks“ inszeniert hatte. Ich also hin. Mich entlang der Erträglichkeitsgrenze gelangweilt, mich aber auch beschwichtigt: Vielleicht ist dein Englisch nicht gut genug und du hast nur die Hälfte verstanden und zwar die langweilige. Besagte Wochen später die Verifizierung auf Pro7. Dieses Zeug ist tatsächlich ungewöhnlich zäh. (Hieß dieser übersinnlich verunklarte Humbug eigentlich damals bei uns schon Mystery oder seitdem erst.) Fazit: „The Forgotten“ ist genauso spannend anzusehen wie das zweitemal eine öde Folge Akte X.
Kinder auf der Leinwand machen mich erst mal skeptisch. Nur allzu leicht wollen Filme den Zuschauer in die Geiselhaft der Kinderliebe nehmen, zu welcher letzteren es vermeintlich keine moralische Alternative gibt. Hier ist ein Kind gestorben und die Mutter kann nicht loslassen. Ein Fall für den Psychologen. Warum mich von Anfang an genervt hat, dass die Mutter sich Videos mit ihrem Sohn reinpfeift, kann ich gar nicht genau sagen. Vielleicht weil es so ein scheißniedliches Balg ist, das all die scheißniedlichen Sachen macht, die Kinder in Filmhomevideos machen, um sich beim Zuschauer einzuschleimen. Vielleicht ist es daher eine schlechte Voraussetzung für das Spannendfinden dieses Films, wenn man sich insgeheim – nein offen – freut, wenn Video und Fotos perdu gehen, also wohl fortan nicht mehr auftauchen werden. Wenn man geradezu hofft, von dem Kind werde nicht mehr die Rede sein, die Mutter werde diesbezüglich Vernunft annehmen und den knackigen Alkoholiker trocken- und flachlegen. Vielleicht ist ja auch noch eine hübsche Tanzszene drin. Den Erfolg trügen derweil ACHTUNG SPOILER!!!!!!!!!!!!!!!!! die Aliens davon, die mittels des Kindesraubs ja die Vergesslichkeit der Menschen testen wollten. Ein Erfolg von dessen Zustandekommen übrigens was genau abhing? Genau: gar nix. Aber wie es der Film leider will, haben die Aliens die Rechnung ohne das Muttertier gemacht, das unbeirrt und unbeeindruckt – auch angesichts gen Himmel fliegender FBI-Agenten und Polizisten - sein Ziel verfolgt: Wir müssen unsere Kinder finden. So mächtig kann nämlich kein Alien sein wie die Liebe einer ... ächz. Der Film meint diesen hanebüchenen Quatsch völlig ernst. Anfangs gibt er sich psychologisch feinfühlig und arrangiert routiniert aber unendlich ÖDE Details, die verunsichern sollen. Hier findet lediglich Informationsvergabe gepaart mit Nulldialogen statt, während die Musik „Atmosphäääääre“ dudelt.
Dreiste Familienpropaganda (und das von Joseph „Stepfather“ Ruben) und Alienunfug. Es versammelt sich hier der hinterletzte Mist zu einem „Film“. Und warum in all dem Julianne Moore?

„The Machinist“ aber ist großartig und „The Manchurian Candidate“ überraschend gelungen. Später mehr.
bähr meinte am 18. Nov, 20:02:
Irgendwas schon in dem Trailer hat mich derart gestört, dass mir klar war, das würde ich mir nicht antun. Vielleicht das kalkulierte eben dieses Kinderthemas. Ein Thema nebenbei, das in "Minority Report" sehr gut funktionierte, wohl gerade, weil der Film nicht darauf aufsattelte, und weil schnell klar war, dass es kein happy-together-again geben würde, sondern nur Schmerz. Weil das schreckliche Thema also nicht dem Spannungsmechanismus geopfert wurde. 
knoerer meinte am 22. Nov, 11:55:
In meiner persönlichen Bestenliste ist Manchurian vor Forgotten vor Machinist. Aber Forgotten ist der Film, den ich am meisten mag, weil er Dinge tut, die eigentlich nicht gehen, aber so, dass es, obwohl es immer noch nicht geht, dann doch irgendwie geht. Ungefähr so wie das Manchurian-Original - andere Liga, klar -, das sich so einige abstruse Ungeheuerlichkeiten leistet und irgendwie geht's. Das Remake ist sehr sorgfältig gemacht und einer der wenigen jüngeren Hollywood-Filme, mit denen man sich in gemütlicher Runde zusammensetzen kann und sie haben kluge Dinge zu sagen. Aber verrückt ist es nun gar nicht. So ein bisschen, Sie verzeihen hoffentlich das schlecht fundierte Assoziieren, wie ein Habermas-Schüler, mit dem man sehr vernünftig reden kann, auch über unvernünftige Dinge wie Paranoia und Hirnimplantate, aber ein irres Glitzern in seinen Augen, das wird man nie erleben. Er wird auch nicht verstehen, warum das schön sein soll, so ein irres Glitzern. Er wird auch nicht verstehen, warum das Manchurian-Original so großartig ist. Oder warum The Forgotten ein bizarres kleines Juwel ist. Nicht dass ich Ihnen hier jetzt etwas unterstellen will. 
Svenson antwortete am 22. Nov, 14:16:
Die Beschreibung der Basisqualität von "The Forgotten" gefällt mir sehr. So hatte ich ihn mir auch erhofft. Und der einzige Moment, in dem ich dachte, davon noch etwas zu bekommen, war Alfre Woodards Himmelfahrt. Das ist ein ähnlicher Moment wie in "Deep Blue Sea", wenn Samuel Jackson inmitten seiner aufrüttelnden Rede von einem Hai verschlungen wird. Obwohl ich das Wohlwollen gegenüber "The Forgotten" nicht teile, glaube ich auch fest an das irre Glitzern. Es ist vielleicht das gleiche, das Dostojewskis fiebergeschüttelter Kellerlochmensch nicht in den Augen eines Eventmanagers findet, während er versucht sich mit ihm über den Nutzen von Abendgesellschaften zu verständigen. 
knoerer antwortete am 22. Nov, 17:35:
Ja, da bin ich jetzt ganz Ihrer Meinung. Diese Himmelfahrt ist so ein Moment, wo ich aus dem Sitz hochgefahren bin und nur noch denken konnte "das ist jetzt nicht wahr". 
 

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