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Anlässlich der letzten Folge von "24" begann ich, an „Kill Bill“ zu denken. Und begann, in einer speziellen Szene einen untergründigen Kommentar Tarrantinos zu sehen – nein, nicht auf „24“, das wäre wohl zuviel der Ehre, sondern auf eine bestimmte Haltung im US-Action-Kino und dem flankierenden Serientreiben. Wir erinnern uns: In einem Tokyoter Restaurant zermetztelt Uma Thurman die Entourage von „Cottonmouth“ Lucy Liu. In einem stilisierten Ballet vollzieht sich dieser abstrahierte Kampf, der auf irgendetwas Mimetisches gar nicht mehr hinaus will. Diese uneigentliche Tötungsorgie, deren Opfer maskierte, gleichförmig in Smokings gehüllte, und so komplett entindividualisierte Asiaten sind, steht auch in merkbarem Gegensatz zu den anderen tödlichen Kämpfen des Filmes: Alle anderen Gegner der „Black Mamba“ sind sorgsam charakterisiert, haben ihre eigene Geschichte und Gegenwart, ihren eigenen einmaligen Charakter. Der Filmautor erweist ihnen Respekt. Sie sind alles andere als nett (aber das ist die „Black Mamba“ letztlich auch nicht), und trotzdem wäre es einem eigentlich in jedem Fall lieber, sie würden mit dem Leben davonkommen. Das scheint mir eine grundsätzliche Menschlichkeit, die man Tarantino so erstmal ja gar nicht zutraut, in den Film zu bringen: Wenn hier getötet wird, dann mit der gebührenden Aufmerksamkeit und emotionalen Anspannung für beide beteiligten Seiten. Die Identifizierung wird einem nicht leicht gemacht, etwas weh tut es immer. Der schwarzen Killerin, die nun Mutter ist, hätte man ja ihr neues Leben genauso gegönnt wie Black Mamba das ihre. Das Schwertballett im Restaurant entwirft das Gegenbild: Die große Emotionslosigkeit, die im Sieg des letztlich unangreifbaren Helden über noch so viele stereotype Feinde besteht, und die Masken der japanischen Schwertkiller stehen als Synonym für Klischeefressen wie Nazischergen, russische Geheimdienstler, arabische Terroristen oder eben bosnisch-slavische Menschenschlächter. Womit wir bei „24“ sind, der als Vertreter seiner Art hier in Sippenhaft genommen wird. Die Geschichte basiert wirklich sehr stark auf der Frage nach dem Wert des individuellen Lebens, gerade in der letzten Folge zerbricht ganz offen über dieser Frage die Ehe des Präsidentschaftskandidaten Palmer. Er geht, um die entführte Tochter von Jack Bauer (Kiefer Sutherland) zu schützen, ein großes Risiko für seine Kandidatur ein – seine Frau versucht ihn davon abzubringen und nimmt dabei ganz offen den Tod des Mädchens in Kauf. Es geht also um Moral, und da gibt’s kein Pardon, die Frau hat verloren.
Ein Großteil der Spannung der ganzen Serie speist sich die ganze Zeit aus der Angst der Zuschauer um Personen, die entführt, befreit und wieder entführt oder sonst wie in Lebensgefahr sind, beziehungsweise aus dem Mitleiden mit der Person (Bauer) der durch diese Entführung seiner Familie schier zum Wahnsinn getrieben wird. Er speist sich also aus der großen Identifikation mit diesen „einfachen“ Menschen, die in eine Geheimdienstintrige geraten sind. Die Logik der ganzen Handlung bezieht sich aus dem überragenden Wert der Familie des Jack Bauer für ihn und damit für uns. Gleichzeitig fließt rund um diese Kernfamilie herum das Blut in Strömen, da werden Polizisten, Wachpersonal, Schurkenschergen die Menge abgemurkst, als gäbe es kein Morgen. Mit schönen präzisen Schüssen, Puff, sindse tot, schließlich sind die Täter auf beiden Seiten Profis. Da wird nicht, wie nicht zuletzt bei Tarantino und seien Vätern, langsam schreiend verendet – nein, wie zu John Waynes Zeiten: Ein roter Fleck in Herzgegend, das war’s. Das ist letztlich nicht allzu weit entfernt von der die Treppe hinabrollenden MP in „True Lies“, die zahllose Araber erlegt. Natürlich hier alles mit dem gebührenden Ernst, aber während die Serie eine große moralische und emotionale Anstrengung auf die Leben der Starfamilie legt, sind ihr die vielen Schäden am Rand kein einziges Innehalten wert, keinen Kamerablick zurück. Und wie auch, wenn man so viele Opfer in 24 Stunden (abzüglich Werbepausen) unterbringen muss. Und warum auch: Man kennt die Leute ja kaum. Allein die Besetzung des Hauptmonsters „Drazen“ mit Dennis Hopper zeigt, wie wenig Fantasie man auf die Gestaltung schon der Hauptschurken (Vater: Ex-Offizier, Kriegsverbrecher, Soziopath, Sohn 1: Seelenloser Technokrat: Sohn 2: Europäisch-zynischer Gigolo) verwendet hat. Geschenkt, wird man sagen, war doch ne spannende Sache, ist doch nur ne Serie, und ja: spannend war’s, und nein: Wir haben Hinweise, das GERADE in US-Serien deutlich mehr geht.
Man muss die Leute nicht abknallen, als hätte es „The Wild Bunch“ nie gegeben.
 

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