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Die Dolmetscherin: Viel gibt es an diesem Film zu loben. Die tollen Darsteller - Sean Penn und Nicole Kidman natürlich, aber auch die Nebenrollen, zuvörderst die fantastische Catherine Keener.
Zu loben die Haltung mit der eine Geschichte erzählt wird, derem bloße Storyline inzwischen in Hollywood normalerweise nur noch mit einem Augenzwinkern, offener Ironie erzählt wird, um ein Vehikel für Actionstars zu sein: Ein Attentat auf ein ausländisches Staatsoberhaupt, das es zu verhindern gilt. Hier ist inzwischen immer klar: Darum geht es eigentlich gar nicht, es geht um das Unterhemd von Bruce Willis.
Hier geht es wirklich darum. Und, auch im Unterschied zur gängigen Ware, um noch viel mehr, das aber von dem Attentatsplan nicht zu trennen ist: Um seine Gründe. Und was das mit den Menschen, die in die Geschichte verwickelt sind, zu tun hat.
Sie alle eint eines: Sie sind keine Amerikaner. Die Gründe für das Attentat, für die Handlung, die Schmerzen, liegen weit entfernt in Afrika, und Sydney Pollack ruft sie nicht nur als Staffage auf, um seine amerikanischen Figuren in Bewegung zu halten. Es geht wirklich um sie, um die Welt da draußen.
Der Film beginnt in einem afrikanischen Fußballstadion (seit Pinochet ein emblematischer Ort), und er zeigt sofort das ganze Grauen, das draußen in der Welt ist, das Barbarische: Hier fand ein Massenmord statt, ein Massaker, Teil nur eines viel größeren Verbrechens. Hier ist der Ausgangspunkt für alles, das passiert.

Etwas später sagt ein Wachmann zu der CIA-Beamtin, die sich Einlass zur UNO verschaffen will: "Dies ist kein amerikanisches Territorium" und versperrt ihr den Weg.
Auch dieser Film ist kein amerikanisches Territorium. Er ist ein seltenes Exemplar eines US-Films, indem es nicht um US-Amerikanische Befindlichkeiten geht, in dem sich nicht alles, auf der einen oder anderen Ebene, um diese Befindlichkeiten dreht. In dem nicht etwa das Bedrohungsgefühl - siehe "War of the Worlds" als typisches Beispiel einer von niemandem mehr verschleierten Metapher - die Handlung bestimmt. Er verlacht diese Fixierung sogar direkt: nach einer Szene, in der ein Bus mitten in Manhattan von einer Autobombe zerstört wird, vermutet ein Radiomoderator einen Anschlag de Al Quaida. Dabei ist der Anschlag eine inner-afrikanische Angelegenheit.
Er ist ein Film, der sich für die Welt draußen und ihr Grauen, das alles in Amerika vorstellbare übersteigt, öffnet.
Er spielt zwar in Amerika, aber ohne, dass es dabei um Amerika geht.
Ein sehr geerderter Film darin, ein sehr unamerikanischer auch: Denn er zeigt das Grauen, die Verwirrung, und präsentiert mit Sean Penn einen Helden, einen amerikanischen Helden, der nichts mit der Sache zu tun hat, der darum ringt, zu verstehen, und doch außen vor bleibt, kaum helfen kann, eigentlich garnicht. Und damit leben muss.
Der auch traumatisiert ist - seine Frau, ihre Ehe war eine ständige Krise, ist bei einem Autounfall gestorben - doch dessen Leid neben der ausradierten Familie der Kidman, der getöteten Freunde, der zerstörten Heimat seltsam zivil, auf jeden Fall heilbarer wirkt.
So wie auch die Amerikaner nichts mit den Problemen in der Welt zu tun haben. Sie stehen daneben und schauen zu.
Einmischung?
Der Film enthält sich der Mooreschen Geste, die doch so einfach gewesen wäre, dem Nachweis, dass die Amerikaner den Diktator erst eigesetzt, unterstützt, oder ausgebildet hätten. Denn das wäre wiederum die selbeSelbstfixierung, diesmal ins Negative gedreht: Alles geht von Amerika aus - auch das Böse - oder zielt eben auf Amerika.
Nein, es ist ein politischer Film, er geht nicht um wohlfeile Verschwörungstheorien.
Im Gegenteil: Es ist die treffende Analyse, dass Amerika bei aller weltpolitischen Aktivität zuerst immer an sich denkt, bei aller Einmischung immer danebensteht. Interveniert, aber aus selbstfixierten Gründen.
So ist dieser Film sehr moralisch, eine kleine Predigt wenn man so will (muss ja nicht), eine Aufforderung, den Blick nach außen zu richten, der auch die Tatsache, dass die Amerikaner den internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht anerkennen, nicht nur erwähnt, sondern auch klar macht, warum das falsch ist.
Sean Penn, wenn man ihn als Vertreter seines Landes sehen will, ist eine resignativ-utopische Gestalt: Er versucht zu verstehen. Mehr Nähe ist für ihn nicht drin, das Andere ist einfach zu anders, er kann es nicht heilen, und am Ende stößt Amerika es von sich.

Zuletzt: Das seltene Erlebnis eines groß produzierten, groß besetzten Films, der für ein Publikum gemacht wurde, zu dem ich gehöre. Das sonst immer mit US-Filmen leben muss, die eigentlich für andere gemacht wurde, und bei denen man dann sehen muss, was für einen selbst vielleicht auch noch drin ist. Quasi vom Tisch fällt.

Und auch noch spannend. Bin begeistert.
 

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