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Eine entsetzliche Katastrophe wie die, die sich am Indischen Ozean ereignet hat, hinterlässt ihre Spuren auch in den Medien. Sie reagieren auf das schwer fassbare mit dem bewährten Reflex der Sondersendung. Ich arbeitete gestern in den drei Wänden, die renoviert werden wollen, und hörte NDR 2. Den ganzen Tag lief ein „NDR Extra“ über die Katastrophe, das, mangels eigentlichem Geschehen, zu einem traurigen body count mit Rock und Pop wurde. Das einzige, was sich bewegte, waren die ins immer unglaublichere steigenden Opferzahlen. Die Sondersendung hat stets etwas Merkwürdiges an sich. Sie verbreitet die Aura höchster Dringlichkeit, und doch passiert außer ihrer eigenen Aktivität meist nicht viel, denn meist ist schon alles vorbei. Was passiert eigentlich in der Musikredaktion eines modernen Radiosenders im Katastrophenfall? Drückt der diensthabende Praktikant am Musikprogramm-Computer auf den Knopf „Desaster-Mix“? „Das Besinnlichste aus den 70ern, den 80ern und von heute.“? Oder wird ein 75jähriger ex-Musikredakteur mit Blaulicht aus seinem verdienten Ruhestand zurückgeholt („Volker, wir brauchen dich wieder!“), weil nur noch er weiß, wie man eine Musikauswahl für ein Programm macht? Klassiker der wenig auftragenden Betroffenheit wie „What if God was one of us?" von Joan Osborne werden in Reihe über den Sender geschickt, die einerseits die letzten Themen verhandeln, andererseits eingängig genug sind, die Wegschaltrate niedrig zu halten. Immerhin bringt die Katastrophe ein Radio zurück, wie ich es auf NDR außerhalb der Bundesliga schon lange nicht mehr gehört habe – mit ausführlichen Wortbeiträgen zwischen den Musikstücken. Ein öffentlich-rechtliches Radio, das endlich mal zeigt, was es eigentlich von den privaten Dudelnudeln unterscheidet: Korrespondenten und professionelle Nachrichtenredaktionen. Hätte man da nicht einen Tag lang ganz auf die peinlich dem Anlass angepasste und weiterhin flache, profillose Musikberieselung verzichten können? In dem er sich nicht völlig mit einem harten Schnitt in etwas ernstzunehmendes zurückverwandelt, sondern mit schlechtem Gewissen weiter seine Musik dudelt scheitert NDR 2, der mal was besseres war, an der Größe und der Tragik des Ereignisses.
lovecraft meinte am 29. Dez, 10:46:
Musik und die Frage des Geschmacks
Die einen Sender spielen dürftige Betroffenheitsmusik und die anderen streichen Pietätloses (Spiegel.de)

Zum Glück kam nicht "O Heiland reiß' die Himmel auf"

Aber ich hör sowieso am liebsten Deutschlandfunk bzw. -radio 
bähr antwortete am 31. Dez, 08:12:
Schlimm auch, stelle ich am Tag darauf fest, dan dem der Sender zu seiner normalen Form zurückgekehrt ist ("In der nächsten halben Stunden Non-Stop NDR2-Musik mit Sting, Nena und Fury in the Slaughterhouse"), die Unfähigkeit der Modeartorinnen, ihren anglernten gute-Laune-Sing-Sang zu unterlassen. Da wird mit der Stimme, die sonst verkündet: "Und wieder war Michael Ballack beim Frisör..." erzählt: "Inzwischen über 100.000 Opfer bei der Flutkatstrophe in Indien!" Da ist wirklich auch nicht die Spur von Menschlichkeit beim nicht-Mitdenken des Textes, den das Mäulchen brabbelt, zu bemerken. 
 

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