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Lassen wir es zu, zwei Filme nebeneinander zu halten, die das nicht verdienen und die kaum mehr verbindet als dass es die letzten beiden sind, auf die ich meine müde Aufmerksamkeit legte.
Das Martyrium steckt in beiden. Samaria lässt ein Mädchen einen Weg gehen, den zu beobachten mehr als schmerzt. In bester Trierscher Tradition wird hier ein irrationaler Leidensweg inszeniert. Wird das, was uns aus der tiefen Vergangenheit unserer religiösen Seele geflüstert wird, auf ein modernes Stadtleben geworfen. Aber was ist eine moderne Stadt in Korea? Was flüstert denen die Religion, die in Italien nistet? Was ist überhaupt in die Koreaner gefahren, die ich als Macher ästhetischer, grausamer Filme, preisdrückende Erbauer großer Tanker, kleiner Autos, protestierende Studenten, Firmenoligarchen und sonst eigentlich so gut wie garnicht kenne?
Übertreffen sie uns also in den genannten Disziplinen (Film, Protest, Kapitalismus), so auch in Glaubensdingen?
Zitat: Followers of Buddhism and Protestants are in the highest numbers, followed by Catholics.  Other practicing faiths are Shamanism, Taoism, and Islam.
Der Koreaner also Christ? Schnell-Lehrgangteilnehmer in mystischer Ergriffenheit? Bereisten die Europa, knipsten die religiöse Ekstase und bauten sie in großen Fabriken nach? Noch bezieht man sich auf spanische Madonnenerscheinungen, doch mit den Mitteln des Films wird schon die eigene Heilige gebaut, ein frankensteinsches Luder in Schulmädchenuniform. Auch Lars von Trier, der Emily Watson auf den Kreuweg schickte, ist ein Konvertit aus der Peripherie, ein Neuling, der sich an den Mysterien, die keine Psycholgie erklären darf, berauscht.
Hader und Haas sehen das anders. Natürlich. Für sie hat das Katholische alles Erhöhende verloren. Das Leiden bleibt, allein es ist geboren aus und gebettet in Niedrigkeit. Auch hier bedarf es keiner Psychologie, es liegt alles auf (und im) Tisch. Es geht um dreckiges Geld und unschönen Sex, schön ist hier wirklich nichts. Im katholischen Kernland braucht man niemandem mehr mit ästhetischer Jungfrauenverzückung zu kommen. Der Heiland ist mit dem Akkuschrauber verschraubt, die Priester pimpern Chorknaben und die Stützen der Gesellschaft sind so faul, dass alles knirscht und ächzt. Auch in Silentium leiden Asiatinnen. Aber wirklich ungewollt, sie drängen sich nicht zum Martyrium. In beiden Filmen rinnt Blut durch die Fugen von Fußbodenkacheln. In Samaria ein Bild, das, umrahmt von Schönem, schön ist, in Silentium einfach nur Blut, das durch Kachelfugen rinnt, weil einer totgeblieben ist.
Kim Ki-Duk schreibt die Geschichte einer Gesellschaft, die sich schon selbst so unverständlich ist, dass der Rückgriff auf den Irrationalismus des Christentums ein probater Weg scheint, sie zu beschreiben. Schlecht für uns, die wir eh nix von de Gegend wissen. Vom alten Europa wissen wir was, und Silentium bringt da nichts, was nicht schon in so einigen Tatorts verhandelt worden wäre. Auch für den europäischen (ich will immer deutsch sagen, aber die Ösis waren ja 1871 nicht mit dabei...) Krimi ist das Klerikale nurmehr exotisch, schauriges Millieu. Die einen nehmen dieses Exotische, eignen es sich an um ihre Gegenwart zu verdauen, die anderen haben es schon längst, da Jahrhunderte dran wiedergekäut, ausgespien. Und finden, dass es mit ihnen nicht mehr zu tun hat als etwa ein Wagneropernklischee. Unsere Welt ist hässlich, das setzt Silentium voraus, beschreibt es nur noch pflicherterfüllend. Was Silentium bringt, ist die korrekte Haltung, wie man dieser Hässlichkeit begegnen möge: Lässig, ironisch, angekifft und mit großer Genauigkeit im Moralischen. Samaria mag der schönere Film sein, und Silentium in seiner Fernsehkrimihaftigkeit belangloser. Aber die Hadersche Haltung hilft weiter im Kampf gegen das Böse als die stoische Verzweiflung des koreanischen Vaters.
 

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