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Wieder so ein Film: Vorher viel gelesen, viel gehört. Unbedingt sehen gewollt. Lange nicht dazu gekommen, dieweil mehr gelesen. Dann gesehen, rausgekommen. Was dazu sagen. Der Film entzieht sich. War beeindruckend. War nicht spannend, was wohl auch in der Natur der Sache liegt - man weiss ja, wie es ausgeht. So auch garnicht erzählt, sondern: Erst passiert das, dann das, dann das...
Der seltsame Sprung vom ostentativ psychologisierenden Beginn ins Unpsychologische: nach der ersten Szene finden wir Hughes auf dem Dreh, als kompletten, sich nicht mehr wesentlich wandelnden Charakter wieder. Wie er so - nämlich genial, sexy, kreativ, manisch, bedroht, irre, eruptiv - geworden ist, wird nicht erzählt. Obwohl das die große Frage ist - wo kommt so ein Außerirdischer her? Es bleibt offen. Es ist nicht die Welt der Superhelden, die durch Bestrahlung oder Verlust zu dem werden was sie sind, es ist die der mittelalterlichen Heiligen, die einfach sind, was sie sind. Und so erzählt sich auch der Film, Szene um Szene der Zusammenstoß des Heiligen Howards mit der Welt. Die Wunder, die er vollbringt. Das Martyrium, das er erleidet. Ein umgekehrter Nazarin, der nur bestaunt, aber nicht gefasst, nicht in die Welt integriert werden kann. Erst das, dann das, dann das, bis zum Ende.
Auf einer trivialpsychologischen Ebene ist das Anfangsbild Grund für seine Phobie. Doch das ist nicht Scorseses Ernst. Es ist ein religiöses Bild, die Waschung, die Taufe, die Klause, das Weltabgewandte, das Außerweltliche. Da kommt er her, aus dem Irgendwodazwischen, der twilight zone, der Transzendenz. Nicht von dieser Welt. Und daher auch die Bild gewordene Phobie: In seinen schlimmen Momenten will nicht nur die Welt nicht ihn, sondern er bis aufs Blut nicht diese Welt, den Haufen Dreck und Bakterien und Gemeinheit. Scorsese interpretiert, dass der Rückzug Hughes nicht passiert, weil er (wie es der populäre Mythos will) sich vor Bakterien und Viren fürchtet. Nein, er fürchtet die Welt selbst, er flieht sie, er geht in die Wüste, zurück dorthin, wo er herkommt.

Und wieder, wie in "Gangs of New York" ein Film über Ungleichzeitiges. Ein Film über den Krieg, in dem der Krieg fehlt. Hughes lebt vom Krieg: ihn inszeniert er, er ist die Basis seines Erfolgs als Produzent, und ebenso für seinen Erfolg als Flugzeugkonstrukteur. Und obwohl das so ist und der Film zu weiten Teilen während des Zweiten Weltkrieges spielt, kommt Krieg im Film nur als Faktor, nicht als Realität vor. Da er nicht teil der Realität Hughes war, sowenig, wie er Teil der Realität des größten Teils der Bevölkerung war. Im Amerika dieser Zeit bemühten sich die Behörden in den USA ein Atmosphäre der Gefahr (Verdunkelungsübungen, Warnungen vor U-Booten vor der Küste, sogar nachgestellte Bombadierungen) herzustellen, damit die Menschen den Krieg und die Soldaten in Übersee nicht vergaßen. Es war eine Zeit des großen wirtschaftlichen Aufschwungs. Heute ähnlich: Der Krieg im Irak findet für die meisten Amerikaner (was man so liest) ausschließlich medial statt, außerhalb jeder Lebensrealität. Und darauf, und vielleicht (vielleicht!) ist das der "Weg in die Zukunft", scheint ein wichtiger Teil des Funktionierens dieses kriegerischen Landes zu ruhen: Kriege führen, sie zu hause medial "erzählen" und zu Identitätsbildung nutzen, die Rüstungsindustrie auf Trab halten, sie aber immer weit genug weg auszutragen, dass zumindest die Mittel- und Oberschicht nix von ihnen mitbekommt. Howard, der Schutzheilige der letzten Supemacht. Die sein Schicksal teilt, die Welt beherrschen zu wollen, sich aber gleichzeitig ängstlich vor ihrer Unordnung und Unsauberkeit zurückzuziehen, schwankend zwischen Agressivität und Autismus.
Ja, das könnte sein.
 

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