Liebe ZEIT, es freut mich natürlich, im Feuilleton dieser Woche satte fünf Filmthemen zu finden. Aber: Der Text zu "Just a Kiss" von Ken Loach liegt doch in seiner Einschätzung bis zur Borniertheit ärgerlich daneben - nicht unbedingt des Films, wohl aber des Regisseurs selbst. Denn hier wird eine Komödie versprochen, die in ihrer relativen Unbeschwertheit gegen das komplette restliche Werk Loachs positioniert wird. "Die Romeo-und-Julia-Geschichte Just a Kiss ist heller ausgeleuchtet und geschmeidiger erzählt als Loachs bisherige Werke. Keine schimmligen Tapeten, keine halb vollen Flaschen Fusel, keine zermürbenden Selbstzweifel." Frau Finger haut ihr ein Klischee (alles so trist, öde und humorlos hier) raus, das aus der tiefsten Mottenkiste des Stänkerns über den "sozial engagierten" Film stammt, und mit seinem fast völligen Verschwinden auch perdu gewesen zu sein schien. Kein Grund, es nicht auf einen der letzten glorreichen Protagonisten dieses Genres wieder abzufeuern. Über Loachs bisherige Filme heißt es: "Tagelang konnten einem diese von Frust und uneingestandenen Sehnsüchten zerfurchten Gesichter in Erinnerung bleiben." Und nun also die erste Komödie! Die ist dann auch nicht mehr so kritisch, und die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung untermauert Frau Finger mit einem Rückgriff auf Schiller: "Wo in Loachs Arbeiten bisher die harsche moralische Kritik an den sozialen Verhältnissen dominierte, kommt nun etwas Versöhnliches ins Spiel – Schiller hat es als »moralische Indifferenz der Komödie« bezeichnet." Und als Beispiele für diesen gegensatz bringt sie frühe Dokumentarfilme aus den Achtzigern sowie den wahrlich deprimierenden "Sweet Sixteen" von 2002.
Um uns ihre These von dem filmer, der bisher nur düsteres Sozialkino gemacht hat und nun seinen ersten heiteren Film zeigt, zu verkaufen, erspart sie also dem Zeitleser die von einem grundlegenden Humor getragenen Loach-Filme wie "Riff Raff","Raining Stones" oder "The Navigartors". Der freundliche Humor dieser Filme war ja gerade dass, was sie und auch die unzeitgemäßen Themen Loachs so menschlich und auch konsumierbar machten. Nein, diese Analyse ist Quatsch, ärgerlich, denn entweder kennt sie Loachs Werk nicht oder sie manipuliert durch ihre Beispiele absichtlich den Leser.
Und auch "just a Kiss" etwas Versöhnliches anzuhängen, ist nur die halbe Wahrheit. Finger: "Dabei ersetzt der »Master of Miserabilism« das ethische Leitprinzip seiner früheren Filme nun durch das ästhetische Prinzip des Effekts. Das Ergebnis ist Sozialbeschwichtigung auf hohem Niveau." Denn obzwar die Geschichte des Liebespaares gut endet, hat der Film doch kein Happy-End. Der Grundkonflikt ist auf der persönlichen Ebene gelöst, auf der gesellschaftlichen bleibt er schmerzhaft offen. Für die zurückgelassene Familie gibt es kein Happy-End. Loach sagt der englischen Gesellschaft eine Integration ihrer Minderheiten nicht in Harmonie, sondern unter Schmerzen voraus. Und bereitet mit dem Bild der alles überwinden Liebe darauf vor, dass sie trotzdem unaufhaltsam vollzogen werden wird.
Um uns ihre These von dem filmer, der bisher nur düsteres Sozialkino gemacht hat und nun seinen ersten heiteren Film zeigt, zu verkaufen, erspart sie also dem Zeitleser die von einem grundlegenden Humor getragenen Loach-Filme wie "Riff Raff","Raining Stones" oder "The Navigartors". Der freundliche Humor dieser Filme war ja gerade dass, was sie und auch die unzeitgemäßen Themen Loachs so menschlich und auch konsumierbar machten. Nein, diese Analyse ist Quatsch, ärgerlich, denn entweder kennt sie Loachs Werk nicht oder sie manipuliert durch ihre Beispiele absichtlich den Leser.
Und auch "just a Kiss" etwas Versöhnliches anzuhängen, ist nur die halbe Wahrheit. Finger: "Dabei ersetzt der »Master of Miserabilism« das ethische Leitprinzip seiner früheren Filme nun durch das ästhetische Prinzip des Effekts. Das Ergebnis ist Sozialbeschwichtigung auf hohem Niveau." Denn obzwar die Geschichte des Liebespaares gut endet, hat der Film doch kein Happy-End. Der Grundkonflikt ist auf der persönlichen Ebene gelöst, auf der gesellschaftlichen bleibt er schmerzhaft offen. Für die zurückgelassene Familie gibt es kein Happy-End. Loach sagt der englischen Gesellschaft eine Integration ihrer Minderheiten nicht in Harmonie, sondern unter Schmerzen voraus. Und bereitet mit dem Bild der alles überwinden Liebe darauf vor, dass sie trotzdem unaufhaltsam vollzogen werden wird.
bähr - am Sonntag, 14. November 2004, 17:51 - Rubrik: Gegendarstellung
knoerer meinte am 15. Nov, 10:13:
"Just a Kiss" ist wohl der schwächste Loach-Film, den ich kenne. Und auch aus den Gründen, die Frau Finger dies bürgerliche Behagen bereiten - wobei ich schon finde, dass es so schlimm, wie sie es sich schön sieht, zum Glück auch wieder nicht ist, bei Loach. Wie verspießert muss man denn sein, um "moralische Indifferenz" und Versöhnlichkeit per se für etwas Gutes zu halten und gar noch Leistung der Kunst. Holtzbrinck-Kultur.
bähr antwortete am 15. Nov, 14:49:
Auch ich erinnere mich an stärkere. Gerade in der Seitengeschichte über den halbirrsinnigen Pfarrer, der die Lehrerin von der Schule werfen lässt, lässt sich tatsächlich etwas wie übertriebene Vorsicht lesen: "Die christlichen Fundamentalisten müssen aber auch ihr Fett wegkriegen". Allerdings mögen die im angelsächsischen Raum auch ein größeres Problem darstellen als bei uns. trotzdem: Das wirkt arg drangehängt.