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things i never told you

27 Jahre Unfehlbarkeit hinterlassen eben ihre Spuren.

Es ist nicht alles Quatsch, was nervt.

Tröstliches für Sprachpuristen liefert eine Beobachtung von Mr. Sick ("Zwiebelfisch") auf SpOn:

Anglizismen killen mit Vorliebe Romanismen, sie sind also viel bedrohter als deutsche Worte. Nahe liegender Gedanke, darum nicht weniger richtig: Für einiges (vor allem Wortfelder aus dem Bereich "schönes Leben", Kultur, etc.) hatte unser etwas tumbes, aber letztlich schrecklich nettes Volk einfach nie Begrifflichkeiten, und so ersetzen die vielbeklagten Wortimporte oft einfach nur ältere, ohne wirklich und wahrhaftig Deutsches zu tangieren: Humpen bleibt Humpen.

"Als Gott noch in Frankreich lebte, da wusste noch jeder, was Savoir-vivre und Laisser-faire bedeuten. Heute dreht sich alles um Lifestyle, und aus dem Laissez-faire-Prinzip wurde "Take it easy!" Was früher "en vogue" war, ist heute "trendy", und eine Mode, die irgendwann "passé" war, ist heute "out". Wer auf dem Laufenden war, der war mal "à jour", und wenn er einverstanden war, dann war der "d'accord". Heute ist er "up to date" und gibt sein Okay. Und wer im Fahrstuhl jemandem auf die Füße tritt, der sagt nicht mehr "Pardon!", sondern murmelt nur noch "Sorry!"

http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,346379,00.html

Biege ich doch auf meinem Heimweg den Hafen am Wasser entlang kurz in die nächste Querstraße, schweres Rotlichtmillieu, ein, um, jawohl!, kurz dem Straßenlärm für ein mobiles Telefonat zu entkommen.
Mehrere Puffeingänge, ein Thailänder, eine rotte Disco. Ich also am Telefonieren, da bewegt sich im rechten Augenwinkel ein Mann auf mich zu, Modell Dieter Pfaff, aber nah am Wahnsinn, angetan mit einem knöchellangen Pelzmantel, fasst mich am Arm und sagt vertraulich, aber laut:

"Hören Sie auf zu suchen, ich habe die ganze Straße gekauft!".

Die blaugefrorenen Finger, mit denen nicht mehr der einfachste, lebensrettende Knoten zu knüpfen ist. Das auf komplizierteste Weise gebrochene Bein. Todessehnsucht und delirierende Bilder. An der Grenze zum Widerlichen,immer aber aufregend. Authentisch? Wer weiß. Aber grandios nachgestellt. Erst kommt das Fressen (=Überleben) dann kommt die Moral.
Trotz etlicher Impulse sich abzuwenden: Spannung. Wie kann man mit solch einer Verletzung weitermachen. Erzählt: Atemlos, grandios. Gezeigt: Bisweilen reißerisch, manchmal schamlos. Die Schuldfrage: Gegenstandslos. Leben und Weinen.

Der Job als Filmvorführer bringt es mit sich: Man kann Filme gucken, was das Zeug hält. Vieles kennt man von der Berlinale, vieles aber auch nicht. CONFIDENCES TROP INTIMES zum Beispiel ist ein Berlinale-Film. Die Anreise erfolgte im letzten Jahr zu spät, um ihn noch regulär wahrzunehmen, aber ein gewisser schummlerischer Einsatz im Filmmarkt ermöglchte doch die nachträgliche Sichtung: Fabelhafter Film. Wer Sandrine Bonnaire nicht ohnehin schon für die attraktivste Frau des französischen Films gehalten hat, der wird es jetzt tun.
Großartig aber der Umgang nit Realität in UZAK. Ein Film aus dem von 32 Besuchrn leider 5 rausgegangen sind. Sie hatten sich allerdings Popcorn gekauft. Zunächst nur Landschaftsbeobachtungen, die einen in die Geschichte hineinziehen sollen. Dann geschieht etwas großartiges. Es gibt zwei Hauptfiguren. Einen alternden Fotografen und einen Verwandten, der bei ihm übernachten darf, um sich einen Job zu suchen . Wir sehen ein Treffen des Fotografen mit seinen Frunden. Er sagt wiederholt: "Fotografie ist tot". Seine Freunde sagen:"Du wolltest doch Filme wie Tarkowskij machen."
Etwas später sitzen der Fotograf und der Gast zusammen vor dem Fernseher. Es wird eine Sequenz aus STALKER von Tarkowskij gegeben. Lange Einstellung einer langen Einstellung. Der Regisseur gilt als der türkische TARKOWSKIJ. Irgendwann ist der dörfliche Gast gelangweilt. Er geht zu Bett. Nach einer Weile linst der türkische "Tarkowskij" zur Tür, nimmt die Kassette von STALKER heraus und legt einen Pornofilm ein. Kurze Zeit später kommt der Gast, um sich eine Zeitschrift zu holen. Natürlich hat der Fotokünstler umgeschaltet, aber auf einen interessanten B-Film. Der Gast schaut wieder mit.
Derjenige, der auf der Suche nach Realität ist, schaut Porno (50 Kanäle sind ihm nicht genug, um Qualität zu finden), während der andere auf der Suche nach einem echten Job alle möglichen Bilder durchläuft.
Am Ende sind Selbstbetrug und Ehrlichkeit das Gleiche. Die Globalisierung schluckt alles.
Eine Gruppe von 4 türkischen Popcornfreunden ist rausgegangen. Wirklichkeit macht halt nicht so viel Spaß wie junge türkische Rekruten beim Militär. So wie Eis am Stiel. Das läuft sogar im Cinemaxx. UZAK ist ein Film zum Schauen, überraschend komisch, melancholisch, wunderschön und großartig. Wer seinen Lehrmeister so grandios veräppeln kann, ist selbst ein Großer.

hinter mir:

"Ja hier, sonst gehn wir in SAW."
"Was isn das."
"Kennst du SEVEN? Pass auf: Nach SEVEN kommt nicht acht, sondern "SAW".
"Was is?"
"Hat mir Ralf erzählt."
"Ach so."
"Steht auch auf dem Plakat."
"Ach so."

das muss man den Katholen lassen - sie bringen selbst die Bildzeitung dazu, in größeren Dimensionen zu denken.

ist es, ihren Protagonistinnen nicht etwa die Namen zu geben, die zum Zeitpunkt ihrer Geburt in Mode waren, sondern solche, die gerade en vogue sind, die also heute erwachsene Frauen 30 aufwärts so gut wie NIE führen. So heißen Martina Gedeck, Corinna Harfouch und Heike Makatsch in den Filmen eben nie Martina, Corinna oder Heike oder meinetwegen Petra, Stefanie und Ulrike (wie meine Klassenkameradinnen) sondern lieber Paula, Lisa, Clara, Lotte, Mia oder Maja. Oder Lilly, Emma, Ella. Namen, die meine Tochter und ihre Kinderladenfreundinnen führen (man meint, dort in einem Mädchenpensionat der Jahrhundertwende zu sein). Ich finde, das sagt einiges über das deutsche Drehbuchwesen: "trendbewusst" nennt man das wohl.

Nebenbei haben alle drei dieser zufällig gewählten Schauspielerinnen in letzter Zeit in einem Film den Rollennamen "Helen" getragen. Sollte mir da was entgangen sein?

Eine entsetzliche Katastrophe wie die, die sich am Indischen Ozean ereignet hat, hinterlässt ihre Spuren auch in den Medien. Sie reagieren auf das schwer fassbare mit dem bewährten Reflex der Sondersendung. Ich arbeitete gestern in den drei Wänden, die renoviert werden wollen, und hörte NDR 2. Den ganzen Tag lief ein „NDR Extra“ über die Katastrophe, das, mangels eigentlichem Geschehen, zu einem traurigen body count mit Rock und Pop wurde. Das einzige, was sich bewegte, waren die ins immer unglaublichere steigenden Opferzahlen. Die Sondersendung hat stets etwas Merkwürdiges an sich. Sie verbreitet die Aura höchster Dringlichkeit, und doch passiert außer ihrer eigenen Aktivität meist nicht viel, denn meist ist schon alles vorbei. Was passiert eigentlich in der Musikredaktion eines modernen Radiosenders im Katastrophenfall? Drückt der diensthabende Praktikant am Musikprogramm-Computer auf den Knopf „Desaster-Mix“? „Das Besinnlichste aus den 70ern, den 80ern und von heute.“? Oder wird ein 75jähriger ex-Musikredakteur mit Blaulicht aus seinem verdienten Ruhestand zurückgeholt („Volker, wir brauchen dich wieder!“), weil nur noch er weiß, wie man eine Musikauswahl für ein Programm macht? Klassiker der wenig auftragenden Betroffenheit wie „What if God was one of us?" von Joan Osborne werden in Reihe über den Sender geschickt, die einerseits die letzten Themen verhandeln, andererseits eingängig genug sind, die Wegschaltrate niedrig zu halten. Immerhin bringt die Katastrophe ein Radio zurück, wie ich es auf NDR außerhalb der Bundesliga schon lange nicht mehr gehört habe – mit ausführlichen Wortbeiträgen zwischen den Musikstücken. Ein öffentlich-rechtliches Radio, das endlich mal zeigt, was es eigentlich von den privaten Dudelnudeln unterscheidet: Korrespondenten und professionelle Nachrichtenredaktionen. Hätte man da nicht einen Tag lang ganz auf die peinlich dem Anlass angepasste und weiterhin flache, profillose Musikberieselung verzichten können? In dem er sich nicht völlig mit einem harten Schnitt in etwas ernstzunehmendes zurückverwandelt, sondern mit schlechtem Gewissen weiter seine Musik dudelt scheitert NDR 2, der mal was besseres war, an der Größe und der Tragik des Ereignisses.

 

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