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Das ist in etwa die Essenz von "Der schönste Tag in meinem Leben". Und wenn das doof und uninteressant klingt, dann gegen meinen Willen. Denn vielmehr ist es so: Zauberhaft schwebend klingt das Thema Alter und Jugend, gelebtes, vergeudetes und noch zu erlebendes Leben an und findet einen überzeugenden Kristallisationspunkt: ein Kind mit einer Videokamera. Das klingt wieder blöd. Unschuld, Wahrheit oder nicht, Möglichkeit zu modisch-verwackelten Bildern. Unfähigkeit zur nicht medial vermittelten Weltwahrnehmung könnte auch dahinterstecken, aber nix da. Das Kind filmt seine Familie am Tag seiner Erstkommunion und damit ist dann auch Schluss. Erinnerung ist das Ziel, denn die Familie wird auseinander brechen - nicht völlig, aber doch nicht unbedeutend. Und das wird keine Katastrophe sein, denn es ist das Ergebnis von Einsicht. Erinnerung also, die das Fundament der Zukunft ist, aber nicht als Trauma und Schuldverstrickung, sondern als Akzeptieren der Realität.
Meistens haben Familiendramen zwei mögliche Richtungen. Entweder unter der heilen Oberfläche lauert das Grauen, das dann mehr oder weniger genüsslich ans Tageslicht gezerrt wird oder die Familie ist schon am Anfang am Ende und muss in einem schmerzlichen Prozess lernen, wieder zueinander zu finden. Wie schön mit "Der schönste Tag in meinem Leben" eine Abwechslung zu finden. Selten habe ich einen Familienfilm gesehen, der so gelassen den diversen Dramen seiner Protagonisten folgt, in keine Richtung zu drücken scheint und doch so straff inszeniert ist. Der Film will schon was. Ich glaube, das hier: Wer sich nicht der Liebe hingibt, auch und wesentlich der körperlichen, der macht was falsch. Wer anderen vorschreibt, wie sie zu leben haben, handelt Unrecht und hat meistens allen Grund, sich an die eigene Nase zu fassen. Jede Lebenslüge fliegt irgendwann auf und dann kann es erstmal richtig peinlich werden. So ungefähr. Wie sich das entwickelt, ohne kitschig zu sein, ist bemerkenswert. Und der Film hat eine tolle Sexszene. Sehr körperlich und warm. Mit einer berauschenden Lust an der Berührung.

Bei Ansicht der Liebesszene zwischen Clive Owen und Keira Knightley in "King Arthur" bekam ich auf einmal Appetit auf frischen, knusprigen Toast mit Kräuterquark. Warum das? Ließ das dargestellte meinen Speichel fließen und mich derartig animiert hungrig werden? Meine Vermutung geht in eine andere Richtung. In dem fiesen Schleim der den durchaus ansehnlichen Film überzog - ich spreche von Hans Zimmers "Musik" - war bestimmt irgendein Motiv aus irgendeiner Werbung (Milram-Frühlingsquark? Golden Toast?) unmerklich eingewirkt. Immerhin ist Zimmer Deutscher und irgendwo muss er seine unseligen Inspirationen ja her haben.

bunny


Vor drei Tagen muss auf der anderen Seite des Atlantiks in ausgewählten Theatern der DONNIE DARKO DIRECTOR'S CUT angelaufen sein.
Zwanzig Minuten neues Material, und Richard Kelly hat das Gefühl, seinen Film erst jetzt (nach dem bereits die DVD Ergänzungen zur in Deutschland ja nie im Kino gezeigten ersten Fassung enthielt) fertig gemacht zu haben. Und ich glaube ihm. Denn dem Vernehmen nach ist dieser Film, der für mich (besser spät denn nie) eines der ganz großen Seherlebnisse dieses Jahres war, tatsächlich NOCH schöner geworden.
Ich bin sehr sehr gespannt und bete, dass der Film nun endlich dahin kommt, wohin er gehört: Ins Kino.

"Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa! Fuck me, Santa!" hört man die freundliche Bardame schreien, während sie vom Weihnachtsmann gefickt wird, besser: während sie den Weihnachtsmann fickt. Im Auto. Auf dem Vordersitz. Sie reitet ihn. Und er darf die Mütze nicht abnehmen. Bei der Zigarette danach erklärt sie ihm, dass sie ungeheuer auf den Weihnachtsmann steht, vielleicht, weil er ihr als Kind immer vorenthalten wurde. "It's like some deep-seated childhood thing." Und der Weihnachtsmann antwortet: "So is my thing for tits". Moralisch oder sozial allgemein nicht akzeptiertes Verhalten fällt - vom Weihnachtsmann ausgeübt - besonders auf. Wenn in "Die Glücksritter/Trading Places" Dan Aykroyd im Weihnachtsmannkostüm bei einem üppigen Büffet schnorren geht und schließlich völlig betrunken zusammen mit einer Lachshälfte seinen Bart verspeist oder der zusammengeschlagene Tim Robbins in "Jacob's Ladder" vom Weihnachtsmann ausgeraubt wird, dann sind das seltsame, verstörende Bilder. Der Inbegriff des Guten, Gutmütigen tritt unsere Werte mit Füßen. Wenn das Kostüm Maske ist und wir den Träger nicht kennen, ist es nur unheimlich. Wenn der Kostüm- auch Sympathieträger ist, wird's komplexer. Dann reicht unsere Gefühlspalette von Befremden über Belustigung bis Mitleid. Und diese Palette reizt Terry Zwigoff unterstützt von einem famosen Billy Bob Thornton in "Bad Santa" aus. Wir erleben den heruntergekommensten Weihnachtsmann, den zumindest ich bisher im Film gesehen habe. Die Schimpfwortfrequenz ist unglaublich, jeder Satz allein enthält ein Wort, das in den USA ganze Filme für Kinder und Jugendliche vermeintlich untauglich macht. Darin steckt ein nicht unbeträchtlicher Witz, schließlich hört man nicht oft einen Weihnachtsmann zu einem strahlenden Kind sagen: "What the fuck do you want?" Dieser (Kaufhaus-)Weihnachtsmann hat mit der Welt, der Warenwelt, der Welt der Familien, der Welt der Liebe und damit auch - nicht zuletzt - der Welt der Lüge abgeschlossen. Für ihn gibt's nur noch sich, Alkohol und Sex. Mit Alkohol und Sex lässt sich vielleicht noch leben, seine eigene Gesellschaft ist allerdings eine Qual. Wie schon in "Ghost World" und natürlich in dem großartigen Dokumentarfilm "Crumb" nährt sich Terry Zwigoff einer Außenseiterfigur an. Dabei bleibt er vollkommen auf ihrer Seite, vermeidet jede Wertung - positiv wie negativ - sondern schaut einfach nur aus ihren Augen auf die Welt. Und die ist grässlich genug. Im Mainstream muss immer das Hindernis beseitigt werden, das den Außenseiter von der Teilnahme an der Gesellschaft abhält. Dabei wird meistens ein windelweicher Kompromiss propagiert. Die Gesellschaft muss erkennen, dass der Außenseiter doch ein netter Kerl ist, der vor allem Fähigkeiten hat, die ihn zu einem potentiell vollwertigen Mitglied machen und der Außenseiter muss seine Schüchternheit/Verschrobenheit/Brille ablegen, um dabei sein zu dürfen. Je nach Machart hübsch anzusehen und eine schillernde Seifenblase, bestenfalls rührend, aber so gut wie immer verlogen. Nicht so bei Zwigoff. Hier wird an der Hölle, die die Gesellschaft, insbesondere in ihrem untauglichen Bestreben, "korrekt" zu sein, häufig darstellt nix beschönigt. Wer unflätig redet - Ordnung muss sein - darf den Kindern nicht zu nahe kommen. Wer nicht wegerklärt werden kann, ist ein Ärgernis. "Bad Santa" bietet nun ein ganzes Arsenal an Figuren auf, die in Übereinstimmung von Aussehen und Wesen aus der Normalität fallen. Ein ständig betrunkener tätowierter Weinachtsmann, ein dickes glänzendes Kind, besessen vom Weihnachtsmann-Kosmos (als das Kind Santa den falschen Bart runterzieht und Santa als Erklärung anbietet, er habe aufgrund einer Krankheit Haarausfall - "I loved a woman that wasn't clean" fragt das Kind: " Mrs. Santa?"), eine sexuell auf Weihnachtsmänner fixierte Barfrau, ein schwarzer Zwerg und seine asiatische egoistisch-blutrünstige Gefährtin. Daraus zimmert auch zwanghafte Political Correctness keine funktionierende Gesellschaft. Nein, nivellierende Integration kann nicht die Lösung sein, wenn sie nur ein Ziel hat: Das Individuum aufzufressen und mehr oder weniger gut verdaut auszuscheiden.
Vor allem aber ist der Film unfassbar komisch. Ich habe gelegentlich Tränen gelacht.
Auf DVD RC1 (z.B. bei eBay), ab November im Kino (eine Synchronisation scheint mir ein fast aussichtslose Unterfangen)

Wer immer noch hofft, im Kino Wesentliches über die Liebe zu erfahren, kann sich Nahrung für diese Hoffnung verschaffen. Eine fast uneingeschränkt gültige Definition von Liebe findet sich in "Die Spielwütigen". Ich möchte diese schlichten und schockierend klaren Worte eigentlich ungern durch ungeeignete Paraphrase oder falsches Zitieren ruinieren, aber der zentrale Satz lautet (ungefähr): "Da gibt es Dinge an einem, von denen man glaubt, sie sind absolut hassenswert, und die liebt er auch." Das sagt Stephanie Stremler, der vorher bei verschiedenen Vorsprechen unter anderem ein Sprachfehler, Koordinationsschwierigkeiten und ein komisches Talent bescheinigt worden ist. Die über alles mit einer an Naivität grenzenden Offenheit spricht, die sich schließlich verliebt und dann über ihren Geliebten diesen Satz spricht. Und er trifft Dich mitten ins Herz. Wenn Du eins hast.

 

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