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Geschichte als das Ergebnis von Managemententscheidungen - so ist also auch der Fall von Jerusalem den miesen neureichen Schmierlumpen geschuldet, die nix vom Geschäft verstehen, nur ihre eigene Karriere sehen und auf unsere Kosten die Welt erobern wollen. Mit satten Gehältern, versteht sich. Ein Kostümepos als resignative Antwort auf die Globalisierungskarikaturen des M. Moore.

Ein familiengeführter Konzern wird von den Managern, von Ackermanns, die den Laden nach dem Tod des Patriarchen in die unguten Hände bekommen haben, in die Krise geführt, wird zum Übernahmekandidaten und segelt dann auch selig in die Zerschlagung samt Ausverkauf. Der einzige Spross der Unternehmers kann nur noch dafür sorgen, dass die Mitarbeiter nicht alle gefeuert werden, sondern ein Sozialplan ausgehandelt wird, die Auffanggesellschaft heißt Zypern.
Das passiert mit Jerusalem, der König stirbt, sein schlechter Nachfolger will Krieg, Orlando kann es nicht verhindern und Saladin, der eigentlich auch nicht will, muss dann aber nun, und die Heldentat des Films besteht darin, freien Abzug für die Bewohner der belagerten Stadt auszuhandeln. Zu gewinnen ist das Ding nicht, man kann nur noch sehen, dass man mit heiler Haut davon kommt.
Sieht man die Kreuzritter und ihr Christentum nun als die Kapitalisten, die ihr Wesen in die Welt hinausgetragen haben, dann kriegen sie es nun dicke von dort zurück, in etwa so, wie es den Industrienationen zur Zeit wiederfährt. Fazit: Wir können bei den Chinesen nur noch um freien Abzug bitten und in Europa als Hufschmiede = Produzenten ehrlicher, im eigenen Land vertickbarer Technik rumkrebsen. Die anderen sind sowieso mehr, stets ein totales Menschengewimmel bis zum Horizont, was der Rechner so hergibt, von einer Unüberblickbarkeit, die den Weiten asiatischer Produktionskapazitäten gleicht.
Da können wir nicht gegenanstinken. Ein recht aktueller Film also, mit einer auf den ersten Blick überraschend unkämpferischen Haltung. Allerdings: Er diagnostiziert im Westen eine Krankheit, die man als Management-Dekadenz beschreiben könnte. Denn EIGENTLICH hätten die Christen den Kampf ja gewonnen, wären sie nur dem wahren Sohn, dem geborenen Führer also, gefolgt, und nicht dem machtgeilen Hierarchen. Hier zeigt sich die ungute Idee, dass gute Führung im Blute liegt, gemeiner Weise in der Maske einer Story, die wie eine Aufsteigergeschichte aussieht: Vom Hufschmied zum König. Doch dieser Hufschmied ist ja schon immer die rechtmäßige König, nur in Verkleidung. (Schmied? Siegfried? Ach kommt.) Denn was er kann, hat er nicht beim Schmieden gelernt, sondern eben im Blut. Dem sein Land und seine Leute, aka sein Betrieb und seine Angestellten, wichtiger sind als Geld und Macht und Marktanteile.
Dass das nicht stimmt, wissen wir, seitdem Thomas Buddenbrock die Ernte auf dem Halm gekauft hat.
Es ist ein billiges, verlogenes Ideologem, das Trost in Zeiten der Globalisierung bringen soll, in der Traditionfirmen in altem Industrienationen zerschlagen und verscherbelt werden, und Arbeiter wie Politiker hilflos zusehen (die Politiker hier im Gewand des opportunistischen Kirchenoberhauptes, das auf alle Forderungen der Moslems eingehen will, um seine Haut zu retten). Das die Hoffnung schürt, dass ein Zurück zu den industriellen Strukturen der Nachkriegszeit möglich ist, ein geordneter Rückzug aus der Globalisierung, wenn nur die Söhne der schon längst entmachteten Patriarchen wieder ans Ruder kommen.
Die dann Schulterklopfend und goldene Jubläumsuhren verteilend durch die Fabrik gehen und jeden ihrer Leute, die ihnen alle treu ergeben sind, beim Namen kennen.
Und: es bleibt der Traum von der prinzipiellen Überlegenheit der Westens, die nur aus anderen Gründen - Geldgier, Missmanagement - nicht zum Zuge kommt. Wie er ja auch heute immer noch geträumt wird, wenn man meint, dass deutsche Ingenieure ja irgendwie von den Genen her mehr können als etwa indische und bei jedem Gebenbeweis auf's Neue überrascht ist.

Der Auszug der Christen aus Jerusalem ordnet eine aus den Fugen geratene Welt. Zurück ins Kernland. Zurück nach Hause. Zu spät.
 

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